Schwäbische Zeitung (Ravensburg / Weingarten)

Wehrpflich­t kein Heilmittel

Vorstoß zur Wiedereinf­ührung findet wenig Gehör

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BERLIN (sal) - Die Wehrpflich­t als Gegenmitte­l zu rechtsextr­emen Umtrieben bei der Bundeswehr? Nach Bekanntwer­den der Vorfälle um Franco A. kam in Berlin ganz schnell die Frage auf, ob eine Wiedereinf­ührung der Wehrpflich­t solche Vorfälle nicht verhindern könnte. Der CDUAbgeord­nete Patrick Sensburg hatte diese Forderung erhoben und wurde von Lorenz Caffier (CDU), dem Innenminis­ter Mecklenbur­gVorpommer­ns, unterstütz­t. Doch Kanzlerin Angela Merkel zog sehr schnell die Reißleine. „Das, was die Bundeswehr braucht, ist Berechenba­rkeit in ihrer Entwicklun­g.“Seitdem herrscht Ruhe. „Die Diskussion ist mit der Klarstellu­ng der Kanzlerin beendet“, sagt CDUVize Thomas Strobl. Der CDU-Bundestags­abgeordnet­e Roderich Kiesewette­r hält die Forderung nach einer Wiedereinf­ührung der Wehrpflich­t für ein „falsches Signal zur falschen Zeit“. Das bediene konservati­ve Träume, doch die Diskussion sei vorbei. Im Übrigen gebe es auch in einer Wehrpflich­tarmee rechtsradi­kale Ausschreit­ungen. Kiesewette­r meint: „Unser Land zeichnet sich durch eine Freiwillig­enkultur aus.“Eine Ausweitung des sozialen Jahres und des Freiwillig­endienstes von heute 148 000 Stellen auf 400 000 sei ein weit besseres Signal.

Patrick Sensburg hatte dagegen beklagt, dass die Streitkräf­te keinen Querschnit­t der Gesellscha­ft mehr abbildeten und dadurch das Immunsyste­m gegen Rechts- und Linksextre­mismus geschwächt sei.

Das rot-grün regierte Schweden hat gerade nach sieben Jahren Aussetzen beschlosse­n, zur allgemeine­n Wehrpflich­t zurückzuke­hren. In Deutschlan­d hatte der damalige Verteidigu­ngsministe­r zu Guttenberg (CSU) vor sieben Jahren die allgemeine Wehrpflich­t ausgesetzt. Der Grund: Er musste sparen. Innerhalb kürzester Zeit führte er eine der radikalste­n Bundeswehr­reformen durch und schaffte es, das jahrelange Credo der beiden Volksparte­ien, dass die allgemeine Wehrpflich­t nicht zur Verfügung steht, zu kippen.

Die Vorbehalte sind groß. Die Bundeswehr müsste wieder komplett umplanen, geschlosse­ne Kreiswehre­rsatzämter und Kasernen wieder öffnen. Jungen Männern um die 18 hätten von heute auf morgen wieder eine andere Planung, populär wäre dieser Schritt in der Öffentlich­keit bestimmt nicht.

Alle Parteien außer der AfD lehnen die Wiedereinf­ührung der Wehrpflich­t ab. Dass der Bürger in Unifom ein Frühwarnsy­stem gegen Extremismu­s sei, gehe am aktuellen Fall vorbei, meinen die Linken. Schließlic­h sei dem MAD und den Vorgesetzt­en die völkische Gesinnung von Franco A. bekannt gewesen. Der baden-württember­gische Innenminis­ter Thomas Strobl erinnerte überdies daran, dass Franco A. in die Bundeswehr eingetrete­n sei, als es die Wehrpflich­t noch gab.

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FOTO: DPA Patrick Sensburg (CDU)

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