Schwäbische Zeitung (Ravensburg / Weingarten)
Macrons Regierung der Öffnung
Frankreichs neuer Präsident stellt Regierung aus breitem Parteienspektrum zusammen – Kritik der Opposition
PARIS - Der neuen französischen Regierung gehören altbekannte Gesichter, aber auch bisher unbekannte Namen an. Die Opposition kritisiert allerdings, dass mit dem Kabinett nicht die versprochene Erneuerung verbunden sei.
Vertreter der Zivilgesellschaft, Oppositionspolitiker und alte Weggefährten: Der neue französische Präsident Emmanuel Macron hat für seine Regierung Persönlichkeiten unterschiedlicher Prägung zusammengebracht. Nur noch 22 Minister und Staatssekretäre gehören der neuen Regierungsmannschaft an, die von dem konservativen Ex-Bürgermeister von Le Havre, Edouard Philippe, geführt wird. Philippe sitzt künftig mit zwei weiteren Konservativen am Kabinettstisch: Bruno Le Maire als Wirtschaftsminister und Gérald Darmanin als Haushaltsminister. Mit den beiden Personalien spaltet der sozialliberale Macron die konservativen Republikaner weiter, von denen bereits mehr als hundert prominente Mitglieder eine Zusammenarbeit mit dem neuen Staatschef fordern.
Das Schlüsselressort „Europa und Außenpolitik“übernimmt der frühere Verteidigungsminister Jean-Yves Le Drian. Der Sozialist hatte Macron schon früh im Wahlkampf unterstützt, sodass seine Berufung auf einen Ministerposten als sicher galt. Der fast 70-jährige Bretone überlässt das Verteidigungsressort Sylvie Goulard, einer Weggefährtin der ersten Stunde von Macron. Die Europaabgeordnete der Zentrumspartei Modem, die fließend deutsch und italienisch spricht, hatte im Wahlkampf die Begegnung zwischen dem 39-Jährigen und Bundeskanzlerin Angela Merkel eingefädelt. Die 52Jährige ist nicht die einzige ModemVertreterin, die der neuen Regierung angehört. Parteichef François Bayrou, der Macron mit seiner Unterstützung im Februar den Weg zum Wahlsieg geebnet hatte, übernimmt das Justizressort. Er arbeitet dabei eng mit dem Bürgermeister von Lyon, Gérard Collomb, zusammen, der neuer Innenminister wird. Der 69jährige Sicherheitsexperte hatte sich als erster prominenter Sozialist Macron angeschlossen.
Eine Überraschung war die Berufung des beliebten Umweltschützers Nicolas Hulot, der das Ministerium für Energiewende übernimmt. Macron hatte im Wahlkampf angekündigt, die Energiepolitik seines Vorgängers François Hollande fortzusetzen, was sowohl den Sozialisten als auch den Grünen nicht weit genug ging. Auch Hulot kritisierte, dass die Energiewende für Macron keine Priorität habe. „Das Risiko besteht darin, dass er eine Trophäe ist“, warnte Cécile Duflot von den Grünen. „Die Hoffnung besteht darin, dass er mit seiner Aufrichtigkeit, seiner Entschlossenheit die Linie des Präsidenten ändern kann“.
Wie versprochen berief Macron mehrere Vertreter der Zivilgesellschaft in sein Kabinett. So soll die Ärztin und ehemalige Leiterin des Krebs-Instituts, Agnes Buzyn, neue Gesundheitsministerin werden. Das Kulturressort übernimmt die Verlegerin Françoise Nyssen, das schwierige Arbeitsressort vertraut der Präsident der Leiterin von Business France, Muriel Penicaud, an. Die 62Jährige war unter anderem Personalchefin bei Danone. Das Sportministerium soll die ehemalige Olympiasiegerin im Fechten, Laura Flessel, leiten, die vor allem für die Olympiabewerbung von Paris die Trommel rühren dürfte. Die Hälfte der Nominierten sind weiblich. Allerdings gibt Macron mit dem Verteidigungsressort nur ein Schlüsselministerium einer Frau.
Klarheit nach Parlamentswahlen „Das ist keine Regierung der Erneuerung, der Öffnung, der Aktion“, kritisierte der konservative Senator Roger Karoutchi das Kabinett, das heute zum ersten Mal zusammenkommen soll. Seine Republikaner sind durch den Regierungseintritt zweier prominenter Mitglieder, die sofort ausgeschlossen wurden, in die Defensive geraten. Das Kabinett steht zunächst nur für die nächsten vier Wochen. Eine endgültige Regierung kann erst gebildet werden, wenn nach den Parlamentswahlen die Mehrheiten in der neuen Nationalversammlung klar sind. Die Republikaner hoffen, stärkste Fraktion zu werden und dann Macron eine Kohabitation mit einer konservativen Regierung aufzwingen zu können.