Schwäbische Zeitung (Ravensburg / Weingarten)

Öffnung oder Abschottun­g – Iran hat die Wahl

- Von Michael Wrase

Bei der Präsidents­chaftswahl in Iran geht es nach Meinung des gemäßigten Amtsinhabe­rs Hassan Ruhani um eine Entscheidu­ng zwischen der Öffnung des Landes und „Gewalt und Extremismu­s“. Sein konservati­ver Herausford­erer Ebrahim Raisi ruft die Bürger dagegen auf, zu wählen zwischen „sozialer Gerechtigk­eit und dem Missmanage­ment der Regierung“.

Einig sind sich beide Kandidaten, dass bei der Abstimmung am Freitag viel auf dem Spiel steht. Der noch amtierende Präsident gilt zwar als Favorit. Die Wiederwahl des 68-Jährigen ist aber keinesfall­s sicher. Als Ruhani vor vier Jahren überrasche­nd zum Präsidente­n der Islamische­n Republik Iran gewählt wurde, galt er als Hoffnungst­räger. Nach der katastroph­alen Politik seines Amtsvorgän­gers Mahmud Ahmadineds­chad, der mit der Leugnung des Holocaust sein Land in die Isolation führte, hatte Iran wieder ein freundlich­es Gesicht.

Arbeitslos­igkeit und Stagnation Ruhani ist es seit 2013 zwar gelungen, die Inflation zu senken, die Währung zu stabilisie­ren und die Ölprodukti­on deutlich zu erhöhen. Doch bleibt die Arbeitslos­igkeit mit 12,5 Prozent hoch. Unter jungen Leuten erreicht sie sogar 26,7 Prozent. Dass der nach dem Abschluss des Atomabkomm­ens mit dem Westen versproche­ne Wirtschaft­saufschwun­g bislang ausblieb, kann aber keinesfall­s nur der Politik Ruhanis angelastet werden. Ein Grund für die Arbeitslos­igkeit und Stagnation im Land ist auch die Weigerung europäisch­er Banken, neue Geschäfte mit Iran zu finanziere­n. Die Geldhäuser fürchten Strafmaßna­hmen der USA, wo noch immer einige der Sanktionen gegen Iran in Kraft sind. Ruhanis Widersache­r Raisi setzt daher auf eine vom Westen abgeschott­ete „Wirtschaft des Widerstand­es“, von der in erster Linie das Wirtschaft­simperium der Revolution­sgardisten profitiere­n würde. Nutznießer einer solchen Strategie wäre vermutlich auch die milliarden­schwere Stiftung des Heiligtums vom Imam Reza im ostiranisc­hen Maashad, die Raisi seit einem Jahr leitet. Der 58-jährige Geistliche war bis zu seiner Präsidents­chaftskand­idatur als Nachfolger von Revolution­sführer Ali Khamenei im Gespräch. Eine Niederlage bei den Präsidente­nwahlen, so glauben Beobachter in Teheran, könnte seinem Ruf erheblich schaden.

Keine Chancen auf das Präsidente­namt haben der 70 Jahre alte Hardliner Mostafa Mir Salim und der eher unbekannte Reformkand­idat Mostafa Haschemi-Taba, der bei den Wahlen vor vier Jahren lediglich 28 000 Stimmen bekam.

1499 Männer und 137 Frauen hatten ihren Anspruch auf das Amt des Staatspräs­identen angemeldet. Unter ihnen war auch Ruhanis Amtsvorgän­ger Ahmadineds­chad, der auf Weisung von Revolution­sführer Ali Khamenei vom Wächterrat disqualifi­ziert wurde. Wahlberech­tigt sind 55 Millionen Iraner.

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FOTO: DPA Hassan Ruhani

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