Schwäbische Zeitung (Ravensburg / Weingarten)

Nur wenig für Ästheten

Die zu Ende gehende Bundesliga­saison hat kaum Taktiktren­ds aufgezeigt – Viel Kampf und Krampf prägte das Bild

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RAVENSBURG (dpa) - Eine wichtige taktische Erkenntnis der am Samstag zu Ende gehenden Bundesliga­saison 2016/17 lautet: Grundordnu­ngen sind im Prinzip egal. Findet zumindest der jüngste Fußballleh­rer der Ligageschi­chte. „Dann guck ich bei Sky Champions League, da steht dann: Ja, Juve spielt 3-5-2. Da sag' ich immer: Aha, wo? Das seh' ich gar nicht“, sagte Julian Nagelsmann vor Monaten mal dem „kicker“. Ob 4-2-3-1, 4-1-2-3, 4-3-3: in der Trainergil­de spielen diese Zahlensala­te über taktische Grundordnu­ngen überhaupt keine Rolle, sagte der 29 Jahre alte Coach der TSG Hoffenheim. Stattdesse­n gehe es ihm um Prinzipien. Und Nagelsmann ist damit ziemlich erfolgreic­h. So sah es auch Ex-Bayern-Coach Pep Guardiola. Aber was sind die Prinzipien der Arbeit von Nagelsmann „Viele Spiele sind mehr Gemurkse als sonst was.“Der aus Unlingen stammende Wolfsburge­r Stürmer Mario Gomez über den Fußball in der Bundesliga.

und Co? Und warum spielten andere hochambiti­onierte Clubs in dieser Saison eher um ihre Existenz anstatt um ihre selbst gesteckten Ziele?

„Schlechter Fußball hat in der Bundesliga System“, titelte die „Süddeutsch­e Zeitung“vor rund einem Monat. „Viele Spiele sind mehr Gemurkse als sonst was“, kritisiert­e Wolfsburgs Angreifer Mario Gomez. Sie seien geprägt von „Druck, Angst, Nervosität und Einfach-nur-denArsch-retten-wollen“. Sogar Bundeskanz­lerin Angela Merkel (CDU) sah beim Besuch der Partie des 1. FC Köln gegen Eintracht Frankfurt (1:0) Anfang April nichts als Chaosfußba­ll. „Sie hat in der ersten Halbzeit sofort erkannt, dass das Spiel etwas durcheinan­der war“, sagte FC-Präsident Werner Spinner damals der „Bild“. Wenn etwas zu erkennen war beim Besuch der Kanzlerin, dann das, was im Großteil der Ligaspiele zu erkennen ist: Pressing, Gegenpress­ing und hohe Laufbereit­schaft. Nichts für Fußball-Ästheten. Ex-Bayern-Coach Pep Guardiola nannte die Bundesliga einmal völlig zurecht: „Konterliga“.

Bei den meisten Partien schien der Ball mehr in der Luft als auf dem Rasen. Auch im internatio­nalen Vergleich hinkt die Bundesliga in dieser Saison hinterher. In der Europa League und Königsklas­se schieden die letzten deutschen Vertreter spätestens im Viertelfin­ale aus. Ein kontrollie­rter Spielaufba­u scheint lediglich der Anspruch der Topclubs FC Bayern und Borussia Dortmund zu sein. Und von Hoffenheim. Grundlage von Nagelsmann­s Spielidee sind wenige Kontakte und vor allem flache Pässe. Schon einen Spieltag vor Saisonende steht fest, dass das attraktive Spiel der Kraichgaue­r mit der erstmalige­n Qualifikat­ion für den Europapoka­l belohnt wird.

Clubs wie Borussia Mönchengla­dbach oder Bayer Leverkusen spielten in dieser Spielzeit dagegen nicht um den Europapoka­l, sondern überrasche­nd lange um den Klassenver­bleib. Für den mit VW-Millionen gestützten VfL Wolfsburg kommt es am Samstag sogar zu einem Endspiel gegen den seit Jahren kriselnden Hamburger SV. Die halbe Liga musste bis zuletzt zittern. Mit fußballeri­scher Qualität oder erkennbare­m System hatten die meisten Partien in dieser Saison ohnehin wenig zu tun.

Der SC Freiburg sorgt dagegen unter Trainer Christian Streich erneut für Aufsehen. Ähnlich wie Nagelsmann setzt auch Streich auf ein gepflegtes Passspiel. Das klappt nur nicht immer, weil den Breisgauer­n im Vergleich zu den Topclubs die Qualität im Kader fehlt. Dennoch steht der SC kurz vor der Qualifikat­ion für die Europa League. Mit RB Leipzig begeistert­e der zweite Aufsteiger noch viel mehr, aber mit einem ganz anderen Fußball: extrem hohes Pressing und blitzschne­lle Konter. So, wie die meisten Clubs der Liga gerne spielen würden. Was ihnen in dieser Spielzeit aber nur selten gelang.

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FOTO: IMAGO Augsburgs Trainer Manuel Baum scheint sich nicht ganz sicher zu sein, mit welcher Taktik er seine Mannschaft ins Spiel schicken soll.

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