Schwäbische Zeitung (Ravensburg / Weingarten)
Deutsche Bank bittet Ex-Chefs zur Kasse
Frühere Topmanager sollen „finanziellen Beitrag“leisten – Boni in Millionenhöhe auf Eis
FRANKFURT (AFP/dpa) - Die Deutsche Bank will ihre früheren Topmanager für die Skandale der vergangenen Jahre bezahlen lassen. Der Aufsichtsrat setze sich „seit längerer Zeit sehr detailliert und umfassend mit der Frage auseinander, ob den seinerzeit amtierenden Vorstandsmitgliedern eine persönliche oder kollektive Verantwortung für Fehler der Vergangenheit zukommt“, erklärte Aufsichtsratschef Paul Achleitner am Donnerstag bei der Hauptversammlung in Frankfurt.
Die Bank werde bei diesem Vorgehen von externen Juristen beraten, fuhr Achleitner fort. Ein Ergebnis liege allerdings bislang nicht vor. Der Aufsichtsrat stehe aber mit den betroffenen Vorstandsmitgliedern in „fortgeschrittenen Gesprächen“. In den kommenden Monaten werde es eine Regelung geben, „die einen wesentlichen finanziellen Beitrag der Betroffenen sicherstellt“.
Boni in Millionenhöhe liegen auf Eis. Betroffen sind nach früheren Angaben elf inzwischen ausgeschiedene Vorstände, darunter die Ex-Vorstandschefs Josef Ackermann, Jürgen Fitschen und Anshu Jain. Allein in Jains Fall soll es um 5,3 Millionen Euro gehen. Jain leitete viele Jahre das Investmentbanking des Konzerns, in dem etliche der teuren Rechtsstreitigkeiten ihren Ursprung haben. Von Juni 2012 bis Mitte 2015 führte Jain gemeinsam mit Fitschen die Bank. Inzwischen ist die Führungsriege bis auf eine Ausnahme komplett ausgetauscht.
Bei der Aufarbeitung der Altlasten sieht sich der amtierende Vorstand der Deutschen Bank dennoch auf der Zielgeraden. Konzernchef John Cryan blickt nach verlustreichen Umbaujahren mit Zuversicht nach vorne. „Auch wenn es weitere offene Fälle gibt: Wir gehen davon aus, dass wir das Schlimmste hinter uns haben“, sagte der Brite. Aktuell ist die Rede von 8000 offenen Rechtsstreitigkeiten, etwa ein Dutzend schätzt das Institut selbst als Hochrisikofälle ein.
Die Deutsche Bank steht seit Jahren wegen Verfehlungen am Pranger: windige Hypothekendeals, Zinsmanipulationen und Geldwäsche-Vorwürfe. Das beschädigte das Ansehen des Geldhauses und kostete auch Milliarden: 2015 machte die Deutsche Bank einen Rekordverlust von 6,8 Milliarden Euro.
FRANKFURT (dpa) - Die Deutsche Bank erfindet sich neu – mal wieder in ihrer fast 150-jährigen Geschichte. So groß wie jetzt war der Umbruch aber wohl nie. Die Bank habe eine Art „Elektroschock“gebraucht, sagte die ehemalige Bankenaufseherin Sylvie Matherat, die bei Deutschlands größtem Geldhaus für regulatorische Fragen zuständig ist, in einer ZDF-Reportage am Vorabend der Hauptversammlung. Vor den Aktionären in Frankfurt bekräftigte Konzernchef John Cryan: „Die Deutsche Bank wird wieder für Integrität und Glaubwürdigkeit stehen.“Die Aktionäre sind noch skeptisch.
8000 offene Rechtsstreitigkeiten Die Deutsche Bank will zwar ihre früheren Manager für die Skandale der vergangenen Jahre bezahlen lassen, die Geduld der Anteilseigner ist jedoch am Ende. Ingo Speich von der Fondsgesellschaft Union Investment beklagt eine „verlorene Dekade“für die Aktionäre. „Nur mit einem halben Dutzend Kapitalerhöhungen im Gesamtvolumen von über 30 Milliarden Euro gelang es, die Löcher in der Bilanz zu stopfen.“Der Aktienkurs sei ein Desaster. Zumindest scheint die Deutsche Bank für Investoren wieder attraktiver zu werden. Dass der chinesische Mischkonzern HNA mit fast zehn Prozent binnen weniger Wochen zum größten Aktionär der Bank aufstieg, gilt als positives Signal.
Bei der Aufarbeitung teurer Rechtsstreitigkeiten sieht sich die Deutsche Bank auf der Zielgeraden. „Auch wenn es weitere offene Fälle gibt: Wir gehen davon aus, dass wir das Schlimmste hinter uns haben“, sagte Cryan. Aktuell ist die Rede von 8000 offenen Rechtsstreitigkeiten, etwa ein Dutzend schätzt das Institut als Hochrisiko-Fälle ein. Für mögliche weitere juristische Niederlagen hat die Bank nach jüngsten Angaben 3,2 Milliarden Euro zurückgelegt.
Bei der Aufarbeitung der skandalträchtigen Vergangenheit sieht das Institut weiterhin keinen Anhaltspunkt für Fehler ihres Aufsichtsratschefs Paul Achleitner. Umfangreiche interne wie externe Untersuchungen etwa zur Libor-Affäre um Zinsmanipulationen hätten ergeben, dass Achleitner seine Pflichten als Chefkontrolleur nicht verletzt habe, bekräftigte Rechtsvorstand Karl von Rohr bei der Hauptversammlung. Für ihre Verwicklung in den Libor-Skandal hatte die Deutsche Bank im April 2015 in den USA und Großbritannien zusammen eine Rekordstrafe von 2,5 Milliarden US-Dollar gezahlt.
Auch das Hin und Her bei der Postbank hat die Deutsche Bank belastet. Die erstmalige Eingliederung in den
Finanzkonzern bis zum Jahr 2015 habe 1,4 Milliarden Euro verschlungen, die anschließende Entflechtung habe mit 200 Millionen Euro zu Buche geschlagen, sagte Cryan. Die kürzlich beschlossene Wiedereingliederung wird mit weiteren 1,9 Milliarden Euro binnen drei bis fünf Jahren veranschlagt, ein großer Teil davon für Abfindungen von Mitarbeitern.