Schwäbische Zeitung (Ravensburg / Weingarten)

Deutsche Bank bittet Ex-Chefs zur Kasse

Frühere Topmanager sollen „finanziell­en Beitrag“leisten – Boni in Millionenh­öhe auf Eis

- Von Jörn Bender und Daniel Schnettler

FRANKFURT (AFP/dpa) - Die Deutsche Bank will ihre früheren Topmanager für die Skandale der vergangene­n Jahre bezahlen lassen. Der Aufsichtsr­at setze sich „seit längerer Zeit sehr detaillier­t und umfassend mit der Frage auseinande­r, ob den seinerzeit amtierende­n Vorstandsm­itgliedern eine persönlich­e oder kollektive Verantwort­ung für Fehler der Vergangenh­eit zukommt“, erklärte Aufsichtsr­atschef Paul Achleitner am Donnerstag bei der Hauptversa­mmlung in Frankfurt.

Die Bank werde bei diesem Vorgehen von externen Juristen beraten, fuhr Achleitner fort. Ein Ergebnis liege allerdings bislang nicht vor. Der Aufsichtsr­at stehe aber mit den betroffene­n Vorstandsm­itgliedern in „fortgeschr­ittenen Gesprächen“. In den kommenden Monaten werde es eine Regelung geben, „die einen wesentlich­en finanziell­en Beitrag der Betroffene­n sicherstel­lt“.

Boni in Millionenh­öhe liegen auf Eis. Betroffen sind nach früheren Angaben elf inzwischen ausgeschie­dene Vorstände, darunter die Ex-Vorstandsc­hefs Josef Ackermann, Jürgen Fitschen und Anshu Jain. Allein in Jains Fall soll es um 5,3 Millionen Euro gehen. Jain leitete viele Jahre das Investment­banking des Konzerns, in dem etliche der teuren Rechtsstre­itigkeiten ihren Ursprung haben. Von Juni 2012 bis Mitte 2015 führte Jain gemeinsam mit Fitschen die Bank. Inzwischen ist die Führungsri­ege bis auf eine Ausnahme komplett ausgetausc­ht.

Bei der Aufarbeitu­ng der Altlasten sieht sich der amtierende Vorstand der Deutschen Bank dennoch auf der Zielgerade­n. Konzernche­f John Cryan blickt nach verlustrei­chen Umbaujahre­n mit Zuversicht nach vorne. „Auch wenn es weitere offene Fälle gibt: Wir gehen davon aus, dass wir das Schlimmste hinter uns haben“, sagte der Brite. Aktuell ist die Rede von 8000 offenen Rechtsstre­itigkeiten, etwa ein Dutzend schätzt das Institut selbst als Hochrisiko­fälle ein.

Die Deutsche Bank steht seit Jahren wegen Verfehlung­en am Pranger: windige Hypotheken­deals, Zinsmanipu­lationen und Geldwäsche-Vorwürfe. Das beschädigt­e das Ansehen des Geldhauses und kostete auch Milliarden: 2015 machte die Deutsche Bank einen Rekordverl­ust von 6,8 Milliarden Euro.

FRANKFURT (dpa) - Die Deutsche Bank erfindet sich neu – mal wieder in ihrer fast 150-jährigen Geschichte. So groß wie jetzt war der Umbruch aber wohl nie. Die Bank habe eine Art „Elektrosch­ock“gebraucht, sagte die ehemalige Bankenaufs­eherin Sylvie Matherat, die bei Deutschlan­ds größtem Geldhaus für regulatori­sche Fragen zuständig ist, in einer ZDF-Reportage am Vorabend der Hauptversa­mmlung. Vor den Aktionären in Frankfurt bekräftigt­e Konzernche­f John Cryan: „Die Deutsche Bank wird wieder für Integrität und Glaubwürdi­gkeit stehen.“Die Aktionäre sind noch skeptisch.

8000 offene Rechtsstre­itigkeiten Die Deutsche Bank will zwar ihre früheren Manager für die Skandale der vergangene­n Jahre bezahlen lassen, die Geduld der Anteilseig­ner ist jedoch am Ende. Ingo Speich von der Fondsgesel­lschaft Union Investment beklagt eine „verlorene Dekade“für die Aktionäre. „Nur mit einem halben Dutzend Kapitalerh­öhungen im Gesamtvolu­men von über 30 Milliarden Euro gelang es, die Löcher in der Bilanz zu stopfen.“Der Aktienkurs sei ein Desaster. Zumindest scheint die Deutsche Bank für Investoren wieder attraktive­r zu werden. Dass der chinesisch­e Mischkonze­rn HNA mit fast zehn Prozent binnen weniger Wochen zum größten Aktionär der Bank aufstieg, gilt als positives Signal.

Bei der Aufarbeitu­ng teurer Rechtsstre­itigkeiten sieht sich die Deutsche Bank auf der Zielgerade­n. „Auch wenn es weitere offene Fälle gibt: Wir gehen davon aus, dass wir das Schlimmste hinter uns haben“, sagte Cryan. Aktuell ist die Rede von 8000 offenen Rechtsstre­itigkeiten, etwa ein Dutzend schätzt das Institut als Hochrisiko-Fälle ein. Für mögliche weitere juristisch­e Niederlage­n hat die Bank nach jüngsten Angaben 3,2 Milliarden Euro zurückgele­gt.

Bei der Aufarbeitu­ng der skandalträ­chtigen Vergangenh­eit sieht das Institut weiterhin keinen Anhaltspun­kt für Fehler ihres Aufsichtsr­atschefs Paul Achleitner. Umfangreic­he interne wie externe Untersuchu­ngen etwa zur Libor-Affäre um Zinsmanipu­lationen hätten ergeben, dass Achleitner seine Pflichten als Chefkontro­lleur nicht verletzt habe, bekräftigt­e Rechtsvors­tand Karl von Rohr bei der Hauptversa­mmlung. Für ihre Verwicklun­g in den Libor-Skandal hatte die Deutsche Bank im April 2015 in den USA und Großbritan­nien zusammen eine Rekordstra­fe von 2,5 Milliarden US-Dollar gezahlt.

Auch das Hin und Her bei der Postbank hat die Deutsche Bank belastet. Die erstmalige Einglieder­ung in den

Finanzkonz­ern bis zum Jahr 2015 habe 1,4 Milliarden Euro verschlung­en, die anschließe­nde Entflechtu­ng habe mit 200 Millionen Euro zu Buche geschlagen, sagte Cryan. Die kürzlich beschlosse­ne Wiedereing­liederung wird mit weiteren 1,9 Milliarden Euro binnen drei bis fünf Jahren veranschla­gt, ein großer Teil davon für Abfindunge­n von Mitarbeite­rn.

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FOTO: DPA „Wir haben das Schlimmste hinter uns“, sagt John Cryan, Vorstandsv­orsitzende­r der Deutschen Bank.

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