Schwäbische Zeitung (Ravensburg / Weingarten)
„Ein Untersuchungsausschuss ist unausweichlich“
BERLIN - Das Berliner Landeskriminalamt hat im Fall Amri offenbar verheimlicht, dass der spätere Attentäter in gewerbsmäßigen Drogenhandel verstrickt gewesen ist. Tobias Schmidt sprach darüber mit Irene Mihalic (Foto: dpa), innenpolitische Sprecherin der Grünen-Bundestagsfraktion
Hat das LKA gezielt versucht, eine große Schuld zu vertuschen? Anis Amri hätte wegen der Straftaten, die er begangen hat, festgenommen werden können und festgenommen werden müssen. Und dann wäre es für ihn unmöglich gewesen, den Anschlag vorzubereiten und durchzuführen. Aus den Untersuchungen in Nordrhein-Westfalen wissen wir, dass nicht rechtzeitig zugegriffen worden ist. Die gesetzlichen Möglichkeiten sind nicht ausgeschöpft worden. Warum nicht? Wenn jetzt auch noch eine Manipulation durch die Berliner Polizei dazu geführt hat, Fehler zu vertuschen, erhält der Fall Amri eine ungeheuerliche Dimension. Es scheint noch vieles im Verborgenen zu liegen.
Welche Konsequenzen müssen nach den neuen Informationen gezogen werden? Die Bildung eines Untersuchungsausschusses im Bundestag ist unausweichlich, und zwar sofort und noch in dieser Legislaturperiode. Die Grünen-Fraktion hat einen Antrag formuliert. Der ist allen Fraktionen zugeleitet worden. Darauf gab es bisher aber keine Reaktion. Doch die Aufklärung ist jetzt dringender denn je. Jeder Stein muss umgedreht werden. Dafür gibt es parlamentarische Instrumente. Da die Legislaturperiode zu Ende geht, muss es jetzt ganz schnell gehen mit dem Untersuchungsausschuss. Die Fraktionen müssen Farbe bekennen. Erst wenn wir die Ursachen des Behördenversagens kennen, können die richtigen Konsequenzen gezogen werden, damit sich so ein Fall nicht wiederholen kann.
Waren die Landesbehörden in NRW und Berlin verantwortlich, oder gibt es auch Fehler bei den Bundesbehörden? Auch das Agieren der Bundesbehörden ist nicht aufgeklärt. Das Bundeskriminalamt und das Bundesamt für Verfassungsschutz hätten die rechtlichen Möglichkeiten gehabt, hier tätig zu werden. Anis Amri war mehrfach Thema im Gemeinsamen Terrorabwehrzentrum. Warum wurde er dennoch nicht gestoppt? Das ist eine noch immer offene Frage. Deswegen geht es auch um ein mögliches Versagen von Bundesinnenminister Thomas de Maizière.