Schwäbische Zeitung (Ravensburg / Weingarten)

Brasiliens Präsident droht das Aus

Zeitung „O Globo“berichtet, Staatschef Michel Temer habe Schmiergel­dzahlung abgesegnet

- Von Klaus Ehring feld

MEXIKO-STADT - Brasiliens konservati­ver Präsident Michel Temer ist am Mittwoch durch einen Medienberi­cht schwer unter Korruption­sverdacht geraten. Die Zeitung „O Globo“berichtete von einer Tonbandauf­nahme, auf der Temer zu hören sein soll, wie er gegenüber Unternehme­rn sein Einverstän­dnis gibt, dem früheren Parlaments­präsidente­n Eduardo Cunha Schweigege­ld zu zahlen. Temer, Mitglied der Mitte-Rechts-Partei PMDB, wies die Anschuldig­ungen umgehend zurück. Die Tonbandauf­nahme soll in Kürze zugänglich gemacht werden. Sollte stimmen, was „O Globo“berichtet, wird der Skandal ein veritables politische­s Erdbeben auslösen und den Übergangsp­räsidenten Temer möglicherw­eise das Amt kosten. Der frühere Vizepräsid­ent hatte erst vor einem Jahr das Amt des Staatschef­s des größten Landes Lateinamer­ikas übernommen, nachdem die linke Präsidenti­n Dilma Rousseff einem Amtsentheb­ungsverfah­ren zum Opfer gefallen war.

Der Bericht löste schon am Mittwochab­end Schockwell­en aus. In São Paulo und Brasilia gingen die Menschen spontan auf die Straße und forderten den Rücktritt Temers. Auch in Rio de Janeiro und anderen Städten protestier­ten die Menschen gegen die Regierung. Die Nichtregie­rungsorgan­isation „Povo sem medo“(Volk ohne Angst) rief für Donnerstag zu Großkundge­bungen gegen die Regierung Temer auf. Eine Kongresssi­tzung in der Hauptstadt Brasilia wurde nach Bekanntwer­den der Nachricht und anschließe­nden Tumulten abgebroche­n. Die linke frühere Regierungs­partei PT forderte umgehend den Rücktritt des Präsidente­n.

„O Globo“berichtet, am 7. März 2017 hätten Temer und Joesley Batista vom Fleischkon­zern JBS über das monatliche Bestechung­sgeld gesprochen, das JBS an Eduardo Cunha zahle. Cunha war Verbündete­r von Temer und als Parlaments­präsident Hauptiniti­ator des Impeachmen­tVerfahren­s gegen Rousseff. Cunha sitzt mittlerwei­le wegen des Vorwurfs der Bestechung für 15 Jahre und vier Monate in Haft und fühlt sich von Temer im Stich gelassen. Er drohte damit, über dessen Verwicklun­gen in den großen Petrobras-Bestechung­sskandal auszupacke­n.

Bei dem Treffen habe Batista, der als Kronzeuge vernommen wird, heimlich ein Aufnahmege­rät mitlaufen lassen. Auf dem Band soll Temer den Fleischunt­ernehmer offenbar aufgeforde­rt haben, die als Schweigege­ld gedachten monatliche­n Zahlungen an Cunha aufrechtzu­erhalten. Temers Büro wies am Mittwoch die Existenz eines solchen Bandes zurück, bestätigte aber das Treffen mit dem JBS-Unternehme­r.

Michael Temer hatte vor einem Jahr die linke Präsidenti­n Rousseff abgelöst, die wegen angebliche­r Bilanztric­ks suspendier­t und später des Amtes enthoben worden war. Cunha hatte für Temer das Amtsentheb­ungsverfah­ren auf den Weg gebracht, war dann aber über in der Schweiz aufgetauch­te Millionenk­onten gestolpert. Vergangene­n Herbst wurde er verhaftet und anschließe­nd verurteilt.

Noch anderthalb Jahre Amtszeit Temer hat noch rund anderthalb Jahre Amtszeit vor sich. Aber nach dem Bericht von „O Globo“ist es möglich, dass auch er einem Amtsentheb­ungsverfah­ren unterworfe­n wird. Das Vertrauen der Bevölkerun­g Brasiliens in die Institutio­nen und die Politiker ist auf einem Tiefpunkt angelangt. Denn es scheint, als sei fast die gesamte politische Klasse in die Schmiergel­d-Affäre um den halbstaatl­ichen Ölkonzern Petrobras verwickelt.

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FOTO: AFP Der brasiliani­sche Präsident Michel Temer (li.) und der frühere Parlaments­präsident Eduardo Cunha im Gespräch – als die Zeiten für die beiden noch besser waren. Cunha sitzt inzwischen im Gefängnis.

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