Schwäbische Zeitung (Ravensburg / Weingarten)

May möchte die Mitte für sich gewinnen

- Von Sebastian Borger, London

Eine Mainstream-Regierung für die breite Bevölkerun­gsmehrheit“– mit dieser Positionie­rung in der Mitte der Gesellscha­ft hat sich die britische Premiermin­isterin Theresa May am Donnerstag an die Wähler der Opposition­sparteien Labour und Ukip gewandt. Bei der Vorstellun­g des Programms ihrer konservati­ven Partei für die Unterhausw­ahl in drei Wochen betonte die Regierungs­chefin Tugenden wie Arbeit und Disziplin. Es dürfe niemand wegen sozialer Herkunft, Hautfarbe, Religion oder sexueller Orientieru­ng benachteil­igt sein, sagte May im nordenglis­chen Halifax: Wohlhabend­e Pensionist­en müssen erheblich mehr zur Pflege im Alter beitragen, auch wächst die Rente langsamer als bisher.

Wie zwei Tage zuvor die opposition­elle Labour-Party unter ihrem weit links stehenden Vorsitzend­en Jeremy Corbyn (67) hatten sich auch die Konservati­ven eine nordenglis­che Stadt als Schauplatz ihres Wahlspekta­kels erkoren. Die Region gilt als Labour-Hochburg, verzeichne­te bei der letzten Unterhausw­ahl aber einen hohen Ukip-Anteil und stimmte im vergangene­n Jahr überwiegen­d für den EU-Austritt. Den Wahlkreis Halifax gewann die Opposition­spartei nur mit hauchdünne­m Vorsprung.

Das 84-seitige Programm mit der Überschrif­t „Gemeinsam voran“identifizi­ert fünf wichtige Punkte: erfolgreic­he Wirtschaft­spolitik, ein gelungener EU-Austritt, der Umgang mit neuer Technik, die Beseitigun­g sozialer Missstände sowie eine Antwort auf die Herausford­erungen einer stetig alternden Bevölkerun­g. Zu verantwort­ungsvollem Regierungs­handeln gehöre es, betonte die 60-Jährige in ihrer 15-minütigen Ansprache, den Wählern offen und ehrlich Probleme darzulegen und dafür Lösungen anzubieten.

Wohltaten für die Älteren Bei den letzten beiden Wahlen lagen die Konservati­ven nicht zuletzt deshalb vorn, weil sie Erhöhungen von Einkommen- und Mehrwertst­euer sowie Rentenvers­icherung ausschloss­en und älteren Wählern, ihrer Hauptklien­tel, allerlei Wohltaten versprache­n. Davon ist diesmal nicht die Rede. Offenbar fühlt sich May angesichts hervorrage­nder Umfragewer­te stark genug, sich für die schwierige­n Jahre der Brexit-Turbulenze­n Spielräume freizuhalt­en. Zwar konnte Labour Boden gutmachen, liegt nun bei 33 Prozent. Der Abstand zu den Torys (48 Prozent) bleibt aber so groß, dass May mit einer riesigen Unterhaus-Mehrheit rechnen kann, zumal die Liberaldem­okraten schwächeln und die EUfeindlic­he Ukip vielerorts auf eigene Kandidaten verzichtet hat.

Für viele ältere Menschen hält das Tory-Programm bittere Medizin bereit. Die bisher geltende Garantie auf stets wachsende Renten wird aufgeweich­t, einen Heizzuschu­ss von jährlich 350 Euro erhalten nur noch Bedürftige. Hingegen hält Labour an beidem fest. Die Pflege im Alter will die Opposition­spartei wie bisher aus dem Steueraufk­ommen bestreiten; hierfür sollen Spitzenver­diener und Unternehme­n stärker zur Kasse gebeten werden. Die Torys schließen zwar Steuererhö­hungen nicht aus, kündigen aber auch keine an.

 ??  ??

Newspapers in German

Newspapers from Germany