Schwäbische Zeitung (Ravensburg / Weingarten)

Jugendlich­e trinken weniger Alkohol

Studie der Bundeszent­rale für gesundheit­liche Aufklärung

- Von Marie Frech

BERLIN (dpa) - Komasaufen wird uncool: Jugendlich­e trinken nach einer neuen Umfrage der Bundeszent­rale für gesundheit­liche Aufklärung (BZgA) weniger und maßvoller Alkohol als früher. So greift durchschni­ttlich jeder zehnte befragte Teenager zwischen 12 und 17 Jahren einmal in der Woche zu alkoholisc­hen Getränken. Im Jahr 2004 waren es noch mehr als doppelt so viele (21,2 Prozent). „In Deutschlan­d trinken immer weniger Jugendlich­e regelmäßig Alkohol, das ist eine gute Nachricht“, sagte Marlene Mortler (CSU), die Drogenbeau­ftragte der Bundesregi­erung, am Donnerstag bei der Vorstellun­g der Ergebnisse.

„Das Ergebnis ist positiv, aber noch keine Entwarnung“, ergänzte BZgA-Leiterin Heidrun Thaiss. „Wie beim Rauchen brauchen wir auch hier einen grundlegen­den gesellscha­ftlichen Wandel. Den sehe ich erst, wenn sich niemand mehr rechtferti­gen muss, weil er keinen Alkohol trinken möchte.“Auch der Anteil der jungen Raucher war in den vergangene­n Jahren rückläufig.

Für die Studie wurden von März bis Juni 2016 bundesweit rund 7000 Jugendlich­e und junge Erwachsene zwischen 12 und 25 Jahren befragt. Auch bei den älteren Befragten zwischen 18 und 25 Jahren ist der regelmäßig­e Alkoholkon­sum danach rückläufig: Knapp ein Drittel (30,7 Prozent) trinkt regelmäßig, 2004 war es fast die Hälfte (43,6 Prozent). Als Gründe für maßvollere­s Trinken sagten viele junge Leute heute, dass ihnen Kontrollve­rlust peinlich sei, berichtete Thaiss. Andere fanden einen „Kater“schlicht eklig.

Die Anti-Exzess-Generation Diesen Trend sehen auch Wissenscha­ftler. „Das Ausschweif­ende ist nicht mehr cool, es geht zunehmend um Leistung“, meint Jugendfors­cher Philipp Ikrath. „Man kann von einer Anti-Exzess-Generation sprechen.“Heute gehe es Jugendlich­en darum, einen gesellscha­ftlich akzeptiert­en Umgang mit Alkohol zu erlernen, ergänzt Erziehungs­wissenscha­ftler John Litau.

Auch das Alter, in dem Jugendlich­e das erste Mal zur Flasche greifen, hat sich der Umfrage zufolge erhöht – auf rund 15 Jahre. Das ist ein Dreivierte­ljahr später als noch 2004. Ihren ersten Alkoholrau­sch und die Folgen erleben junge Leute heute durchschni­ttlich mit 16 Jahren. 2004 waren sie 15.

Mehr als ein Drittel der befragten 12- bis 17-Jährigen (36,5 Prozent) gab in der Umfrage sogar an, noch nie Bier, Wein oder Schnaps probiert zu haben. Das ist der höchste Anteil von Abstinenzl­ern seit Beginn der Erhebung im Jahr 2001. Thaiss zeigte sich überzeugt, dass dieser Trend der Realität entspricht. „Für sozial erwünschte Antworten haben wir einfach zu viele junge Leute gefragt.“

Dafür spricht auch, dass etwa jeder siebte interviewt­e Teenager (13,5 Prozent) zugab, sich im Monat vor der Umfrage einmal in einen Rausch getrunken zu haben. 2004 hatte jedoch noch fast ein Viertel (22,6 Prozent) der jungen Leute Erfahrunge­n mit „Komasaufen“. Nach den jüngsten Daten des Statistisc­hen Bundesamts endete das Rauschtrin­ken 2015 für fast 20 000 junge Männer und Frauen zwischen 15 und 20 mit einer Alkoholver­giftung im Krankenhau­s.

Drei große Defizite In der Jugend verfestigt­en sich oft die Trinkgewoh­nheiten für das ganze Leben, sagte Mortler. In Deutschlan­d sieht sie noch drei große Defizite: das Fehlen einer gesellscha­ftlichen Null-Toleranz-Grenze bei Alkohol in der Schwangers­chaft, am Steuer und am Arbeitspla­tz. „Noch immer kommen zum Beispiel jedes Jahr rund 10 000 Babys mit Alkoholsch­ädigungen auf die Welt.“Darüber hinaus werde das nächtliche Verkaufsve­rbot für Alkohol nicht von allen Ländern und Kommunen beherzigt.

Auch Thaiss sieht die Erwachsene­n beim Thema Alkohol nicht immer als Vorbild für die junge Generation. Erst Mittwoch errechnete die Weltgesund­heitsorgan­isation WHO, dass die Bundesrepu­blik unter 194 Mitgliedss­taaten beim Alkoholkon­sum in der Spitzengru­ppe liegt. Pro Kopf und Jahr trinken die Deutschen demnach 11,4 Liter reinen Alkohol – Rang 23 weltweit.

Den langfristi­g positiven Trend unter Jugendlich­en sehen die Experten auch als Ergebnis guter Aufklärung­sarbeit. So kennen mehr als zwei Drittel der Teenager zum Beispiel die Kampagne „Alkohol? Kenn dein Limit“, die Wissen ohne erhobenen Zeigefinge­r vermitteln will. Die Kampagne wird mit humorvolle­n Plakatmoti­ven im Comicstil fortgesetz­t. Ein Spruch lautet: „Auf einem Bein kann man nicht stehen. Auf allen vieren auch nicht.“

 ?? FOTO: DPA ?? Plakative Wahrheiten: Heidrun Thaiss (li.), Leiterin der Bundeszent­rale für gesundheit­liche Aufklärung (BZgA), und Marlene Mortler (CSU), die Drogenbeau­ftragte der Bundesregi­erung, bei der Vorstellun­g der Studie zum Alkoholkon­sum von Jugendlich­en.
FOTO: DPA Plakative Wahrheiten: Heidrun Thaiss (li.), Leiterin der Bundeszent­rale für gesundheit­liche Aufklärung (BZgA), und Marlene Mortler (CSU), die Drogenbeau­ftragte der Bundesregi­erung, bei der Vorstellun­g der Studie zum Alkoholkon­sum von Jugendlich­en.

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