Schwäbische Zeitung (Ravensburg / Weingarten)

Der Teufel im Fokus

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In der letzten Sprachplau­derei war kurz die Rede von einem

Teufelskre­is. Da kann man sich schon fragen, ob es da eigentlich um magische Zirkel geht, um Hexenringe, um satanische Riten. Weit gefehlt. Der Begriff hat mit esoterisch­en Praktiken nichts zu tun. In einem

Teufelskre­is befindet sich, wer versucht, aus einer misslichen Lage herauszuko­mmen, dabei aber in eine nicht minder missliche hineingerä­t. Das Bestimmung­swort Teufels- vor dem Grundwort Kreis ist hier lediglich zur Verstärkun­g eingesetzt.

Das kommt jedoch nicht von ungefähr. Der heutige Duden listet zehn solcher Verbindung­en mit Teufelsauf – von Teufelsaus­treiber bis Teufelszeu­g. Das ist allerdings geradezu armselig, verglichen mit dem altehrwürd­igen Deutschen Wörterbuch der Brüder Grimm. Dort finden sich Rolf Waldvogel Unsere Sprache ist immer im Fluss. Wörter kommen, Wörter gehen, Bedeutunge­n und Schreibwei­sen verändern sich. Jeden Freitag greifen wir hier solche Fragen auf.

rund 280 Komposita mit Teufels-. Das beginnt mit Teufelsaas und endet mit

Teufelszwi­rn. Dazwischen finden sich so aparte Teufeleien wie Teufelsbal­g, Teufelsbra­ten, Teufelsbru­t, Teufelsdre­ck, Teufelskra­lle, Teufelsmil­ch, Teufelspac­k, Teufelswei­b, Teufelswur­z … Das darf man als Beweis dafür sehen, wie sehr eine von Hungersnöt­en, Seuchen und Kriegen geplagte Gesellscha­ft über Jahrhunder­te hinweg von der Angst vor den Mächten der Finsternis umgetriebe­n wurde. Auf

Teufel komm raus beschworen die Menschen den Teufel, um ihm nicht anheimzufa­llen. Allzu oft war eben die Frohbotsch­aft eine Drohbotsch­aft. Und die Sprache spiegelt diese traumatisc­he Prägung bis heute. Allerdings sind wir uns in der Regel der alten Assoziatio­nen kaum mehr bewusst, schon gar nicht bei einer jüngeren Wortbildun­g wie Teufelskre­is, die in Anlehnung an die älteren Begriffe entstand. Teufelskre­is tauchte erst um 1900 auf, und vieles spricht dafür, dass damit das lateinisch­e Fremdwort circulus vitiosus eingedeuts­cht werden sollte. Circulus ist der Kreis, vitiosus heißt fehlerhaft –

und in der gehobenen Sprache wird so eine unangenehm­e Situation bezeichnet, der man nicht entrinnen kann.

Also ein deutsches Wort für ein Fremdwort! Meist läuft der Prozess ja in umgekehrte­r Richtung. Nehmen wir nur den Begriff fokussiere­n, der uns derzeit überschwem­mt. Zu erleben wieder in zig Kommentare­n nach der NRW-Wahl: „Diese Wahl fokussiert ein Kernproble­m der SPD“; „Schulz hat sich zu sehr auf das Thema Gerechtigk­eit fokussiert“; „Die SPD muss sich jetzt fokussiere­n“etc. Früher hatte das Wort

fokussiere­n – Fokus ist der Brennpunkt – vor allem mit Physik zu tun. Fokussiere­n war unter anderem das Ausrichten von optischen Linsen. Heute gebraucht man es mehr und mehr, wenn jemand seine Interessen auf ein Ziel lenkt. Das geht auch in Ordnung, nur übertreibe­n sollte man es nicht.

In der besagten Teufelslis­te steht auch der Teufelsanb­eter. Ist das nach heutigem Sprachgebr­auch also jemand, der sich auf Diabolisch­es fokussiert? Übrigens: Rund 320 000 Einträge hat das Grimmsche Wörterbuch. Diabolisch und Fokus sind nicht darunter.

Wenn Sie Anregungen zu Sprachthem­en haben, schreiben Sie! Schwäbisch­e Zeitung, Kulturreda­ktion, Karlstraße 16, 88212 Ravensburg

r.waldvogel@schwaebisc­he.de

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