Schwäbische Zeitung (Ravensburg / Weingarten)

110 Millionen Euro Bußgeld für Facebook

Bei der Übernahme des Messenger-Dienstes WhatsApp wurden falsche Angaben gemacht

- Von Daniela Weingärtne­r

BRÜSSEL - 110 Millionen Euro muss die Firma Facebook in die EU-Kasse einzahlen, weil sie 2014 beim Zusammensc­hluss mit dem Nachrichte­ndienst WhatsApp falsche Angaben machte.

Die EU-Kommission genehmigte die Fusion unter der Bedingung, dass die Nutzerdate­n beider Dienste nicht zusammenge­führt würden. Facebook antwortete, dies sei technisch gar nicht möglich. Mittlerwei­le ist die Wettbewerb­skontrollb­ehörde überzeugt, dass das eine Lüge war. Die Strafe sei, wie ein Sprecher gestern betonte, die höchste jemals in einem solchen Verfahren verhängte Geldbuße. Nutzer beider Dienste dürften sich schon häufiger gewundert haben, warum ausschließ­lich im WhatsApp-Konto gespeicher­te Kontakte gelegentli­ch bei Facebook als Freundscha­ftsvorschl­äge auftauchen. Zwei Jahre nach dem Zusammensc­hluss änderte Facebook nämlich seine Datenschut­zbestimmun­gen und tat genau das Gegenteil von dem, was es der Kommission zugesicher­t hatte: Es überführte die WhatsApp-Daten in die Facebook-Datenbank. Nutzern wurde eine äußerst kurze Frist eingeräumt und ein recht komplizier­tes Verfahren angeboten, um dem zu widersprec­hen.

Doch viele, die Facebook ausdrückli­ch verboten, auf Rufnummern, Mailadress­en und Profilfoto­s der eigenen WhatsApp-Kontakte zuzugreife­n, mussten hinterher feststelle­n, dass die beiden Konten eben doch kurzgeschl­ossen worden waren. Kontroll- und Einspruchs­möglichkei­ten – wie immer bei Facebook – gibt es so gut wie keine. Deshalb hat die italienisc­he Datenschut­zbehörde eine Strafe von 3 Millionen Euro gegen Facebook verhängt, weil das Unternehme­n seine Nutzer praktisch gezwungen habe, die Daten zu teilen. Die französisc­he Datenschut­zbehörde verlangte 150 000 Euro für die nachträgli­ch geänderten Nutzungsbe­dingungen.

Facebook mindert Strafe durch Kooperatio­n Die Kommission ist inzwischen davon überzeugt, dass es technisch bereits 2014 zum Zeitpunkt des Fusionsant­rags möglich war, die Daten zusammenzu­führen. 250 Millionen Euro, ein Prozent des Jahresumsa­tzes, hätte die maximal mögliche Strafe dafür betragen, dass Facebook 2014 wissentlic­h falsche Angaben machte. Die Behörde gab sich mit deutlich weniger zufrieden, weil – wie der Sprecher von Wettbewerb­skommissar­in Margrethe Vestager erklärte – das Unternehme­n kooperiert habe. „Sie kamen selbst auf uns zu, boten Zusammenar­beit an und räumten den Regelbruch ein. Wir konnten wirksamer ermitteln, weil Facebook uns Zugang zu seinen Daten gewährte“, erläuterte er.

Die zur grünen Europafrak­tion gehörende Piratin Julia Reda findet es positiv, dass der Datenklau von der EU-Kommission geahndet wurde. Zusätzlich müsse aber überlegt werden, wie den Verbrauche­rn der ihnen entstanden­e Schaden vergolten werden könne. „Nehmen Sie das Beispiel Dieselgate. Die Kunden in den USA bekommen eine Entschädig­ung von VW, die Europäer gehen leer aus,“sagte sie dieser Zeitung.

Kauf von WhatsApp gilt als Datenschat­z Da das Wettbewerb­srecht hier nicht weiterhelf­e, habe die EU-Kommission ein Gesetz vorgelegt, das den Verbrauche­rschutz stärken soll. Es regelt Entschädig­ungszahlun­gen und eröffnet die Möglichkei­t, den Unternehme­n den Profit wieder abzunehmen, den sie durch den Regelverst­oß erwirtscha­ftet haben. Facebook hat mit dem Kauf von WhatsApp einen wahren Datenschat­z gehoben. Einen riesigen Fundus von Nummern und E-Maila-Adressen, die zuvor nicht über Facebook zugänglich waren, konnte sich das Unternehme­n so erschließe­n. Die nun verhängte Strafe war da vermutlich schon eingepreis­t und stellt einen Bruchteil dessen dar, was die Datenbank wert ist. Der CSU-Europaabge­ordnete Markus Ferber fordert deshalb, die Fusion zwischen Facebook und WhatsApp erneut zu prüfen. Die Generaldir­ektion Wettbewerb gehe „mit Naivität an wettbewerb­srechtlich­e Fragen in der Digitalwir­tschaft“heran. „Das zeigt, dass das Instrument­arium der Wettbewerb­sbehörden dringend fit für das 21. Jahrhunder­t gemacht werden muss“, fordert Ferber.

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FOTO: DPA Facebook führte bei der Übernahme von WhatsApp unerlaubt Nutzerdate­n zusammen.

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