Schwäbische Zeitung (Ravensburg / Weingarten)
Auch Mächtige müssen zahlen
Sagen wir, Sie brechen beim Supermarkt um die Ecke ein und stehlen die Kundendatei. Als die Polizei kommt, zeigen Sie den Beamten bereitwillig die entwendeten Aktenordner. Das wirkt sich strafmildernd aus – den Gewinn aus dem Datenklau dürfen Sie behalten, weder der Supermarkt noch die Kunden werden entschädigt.
Betrachtet man es so, sind die 110 Millionen Euro Strafe, die gestern gegen das Unternehmen Facebook verhängt wurden, keine so beeindruckende Summe mehr. Der Konzern hat Einblick in intimste Daten all derer, die entweder auf Facebook oder auf WhatsApp unterwegs sind. Das führt nicht nur zu einer beachtlichen Marktposition, sondern ermöglicht inhaltlichen Einfluss auf die Themen, die Facebooknutzer bewegen. Es kann nicht sein, dass der Verbraucherschutz bei uns im 20. Jahrhundert steckenbleibt, während die Missbrauchsmöglichkeiten längst andere Dimensionen angenommen haben – der Verbraucherschutz muss verbessert werden. Außerdem ist es wichtig, europäische Kartellregeln den Bedingungen der digitalen Welt anzupassen. Solange eine marktbeherrschende Stellung nur danach definiert wird, wie viel Umsatz ein Unternehmen erwirtschaftet, fallen Datengiganten wie Facebook durchs Raster. Wer aber den Verbrauchern direkt in die Köpfe sehen und auf ihr Konsumverhalten Einfluss nehmen kann, hat eine Marktmacht, die in Umsatzzahlen allein nicht zu messen ist.
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