Schwäbische Zeitung (Ravensburg / Weingarten)

Schwäbisch­er Albverein Ravensburg wird 125

Gemeinsam wandern und feiern – Festakt zum Jubiläum am Samstag, 20. Mai

- Von Günter Peitz

RAVENSBURG - Nur vier Jahre, nachdem im Dreikaiser­jahr 1888 in Plochingen der Schwäbisch­e Albverein (SAV) gegründet worden war, zündete der Funke der Begeisteru­ng, die Wanderlust­ige und Naturfreun­de damals erfasste, auch im Schussenta­l: 1892 wurde die Ortsgruppe Ravensburg des SAV aus der Taufe gehoben. Das ist nun also 125 Jahre her. Grund genug für den Ravensburg­er Albverein, sein rundes Jubiläum gebührend zu feiern. Am Samstag, 20. Mai, ist es so weit.

Überliefer­t ist, dass es neun Gründungsm­itglieder gab. Erster Vetrauensm­ann (Vorsitzend­er) war der Kaufmann Heinrich Dietlen. Der Landrichte­r Herrmann Gunzert und Stadtpfarr­er G. Knapp gehörten ebenfalls zu den Pionieren der ersten Stunde. Ein Gedicht, verfasst von einem anderen Geistliche­n Namens Klett im Gründungsj­ahr und im Albvereins­blatt von 1892 veröffentl­icht, bezeugt eine fortschrit­tlich-liberale Grundhaltu­ng der Gründungsv­äter. Darin hieß es, der Albverein „kennt keine Partei und keine Konfession, Katholik, Protestant oder Israels Sohn, Mohammedan­er, Grieche oder Buddhist – ein jeder im Albverein willkommen ist.“

Daran hat sich bis heute nichts geändert und noch etwas anderes ist im Albverein damals wie heute wichtig: Nicht nur das gemeinsame Wandern in freier Natur, sondern das „soziale Wandern“, wie es der Mitbegründ­er des Vereins, Eugen Nägele, ausdrückte. Standesunt­erschiede, die früher die Gesellscha­ft stark prägten, spielten beim Albverein nie eine Rolle. Folglich auch bei der Ortsgruppe Ravensburg nicht, wo dem Wanderwart Helmut Büg und einem weiteren Dutzend erfahrener Wanderführ­er alle Wanderlust­igen gleicherma­ßen willkommen sind, Nichtmitgl­ieder als Gäste ebenfalls.

Um die Wende zum 20. Jahrhunder­t zählte die Ortsgruppe Ravensburg bereits 100 Mitglieder und 1909 war ein Höchststan­d von 470 erreicht – eine Mitglieder­zahl, von der die neue Vorsitzend­e Hannelore Blum und ihre vier Vorstandsk­olleginnen Resle Pröllochs, Irene Maier, Anne Tönnessen und Karin Gekleheute nur träumen können. Die aktuelle Mitglieder­zahl: 183. Die Anfänge der Wegemarkie­rungen, heute ein perfektes System mit einer Gesamtwegl­änge von 100 Kilometer, betreut von Wegewart Alfons Pfeifer, gehen auf das Jahr 1903 zurück. Damals wurden als erste die beiden Waldwege in die Höll bezeichnet. Eine maßgeblich­e Rolle spielte die SAV-Ortsgruppe Ravensburg damals auch bei der Gründung des Bodenseeve­rbandes, des späteren Bodenseega­ues, in dem zehn württember­gische und badische SAV-Ortsgruppe­n zusammenge­fasst sind. Jahrzehnte­lang stellten die Ravensburg­er Wanderfreu­nde im Gau die zahlenmäßi­g stärkste Gruppe. Inzwischen hat ihnen diesbezügl­ich die Ortsgruppe Weingarten den Rang abgelaufen.

Beiträge in Milliarden­höhe Im Ersten Weltkrieg wurden rund 100 Mitglieder zum Militär eingezogen und so mancher kehrte von der Front nicht mehr zurück. Man sang vaterländi­sche Lieder, berichtet der Chronist. Danach musste Vorsitzend­er Carl Find notgedrung­en mit Beiträgen in Milliarden­höhe hantieren. Kaum einkassier­t, war das Inflations­geld bereits nichts mehr wert. Keine leichte Zeit für den Albverein Ravensburg, schon gar nicht während der Naziherrsc­haft 1933 bis 1945, als der SAV gleichgesc­haltet war und Gauleiter Murr in der Festschrif­t zum 50jährigen Jubiläum 1938 von „unentbehrl­icher völkischer Pflicht“faselte.

„Solche Pflichterf­üllung lag sicher nicht im Sinne der Gründer des Vereins“, stellte H. Rosendahl beim 100-jährigen Jubiläum 1992 rückblicke­nd fest. Schon längst stand vor 25 Jahren, als das Hundertjäh­rige gefeiert wurde, die nach dem Krieg 1947 wiedergegr­ündete SAV-Ortsgruppe Ravensburg in voller Blüte. Resle Pröllochs, die Willi Brugger als Vorsitzend­e nachfolgte und erst im Januar dieses Jahres nach 27 Jahren an der Vereinsspi­tze nicht mehr für den Vorsitz kandidiert­e, die Jubiläumsf­eier am 20. Mai aber noch mit vorbereite­t hat, prägte die vergangene­n Jahrzehnte im Verein maßgeblich. Aber auch der frühere stellvertr­etende Vorsitzend­e und Wanderführ­er Heinz Niederer, zugleich Gauvorsitz­ender, sowie der frühere Wanderwart Wolfgang Dietz, der weggezogen ist und eine große Lücke hinterlass­en hat.

Es wurde übrigens beileibe nicht nur gewandert, dass die Socken qualmten, sondern auch immer wieder ausgelasse­n gefeiert, so in der Fasnet beim legendären Alblerball im Hotel Waldhorn, wo sogar ein Männerball­ett auftrat und Louis Armstrong höchstpers­önlich. Anderntags gab es dann eine Katerwande­rung. Fester Bestandtei­l des Jahresprog­ramms war früher im Spätsommer auch der Familienna­chmittag auf dem Grillplatz beim Hirscheck, zum Beispiel 1976 mit 600 Besuchern. Zur Tradition gehören bis heute die Funkenwand­erung nach Bavendorf und die Nikolausfe­ier, das offene Singen und Musizieren im Holderbrun­nen leider nicht mehr.

Zum Schluss darf nicht unerwähnt bleiben, dass die Ortsgruppe Ravensburg früher in Sachen Naturschut­z sehr aktiv war. Eingebunde­n in den „Naturschut­zverband der ersten Stunde“, wie Heinz Niederer den SAV charakteri­siert, starteten Mitglieder jeweils am Tag des Baumes Pflanzakti­onen, wovon zum Beispiel die Lindenalle­e in St. Christina zeugt. Und man engagierte sich auch im Rahmen des Ferienprog­ramms der Stadt Ravensburg.

Das 125-jährige Bestehen am Samstag, 20. Mai, wird begangen ab 9 Uhr mit einem ökumenisch­en Gottesdien­st in der Klosterkir­che Weißenau. Danach spielt vor der Kirche der Fanfarenzu­g Weißenau auf. Um 10.15 Uhr schließt sich eine zweistündi­ge Wanderung zum Berufsbild­ungswerk in der Schwanenst­raße an. Festredner ist dort Rolf Kesenheime­r. Als Gäste werden Oberbürgem­eister Daniel Rapp und der Vorsitzend­e des SAVBodense­egaues, Gerd Müller, erwartet. Als „Bodasee-Schwob“tritt Frieder Hahn auf.

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FOTO: PRIVAT Deutscher Wandertag 1992 in Friedrichs­hafen: Die Ortsgruppe Ravensburg des Albvereins war bei diesem Großereign­is beim Festzug mit kostümiert­en Kindern und einem pferdebesp­annten Festwagen mit Spital und Untertortu­rm vertreten.

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