Schwäbische Zeitung (Ravensburg / Weingarten)
Der große Wunsch nach Rechtssicherheit
Integrationsminister Lucha diskutiert mit oberschwäbischen Arbeitgebern über Flüchtlinge im Arbeitsalltag
LEUTKIRCH - Kemo Magassi und Fouad Masri, beides Flüchtlinge aus Gambia, gehen am Donnerstag in der Leergutvorbereitung der Leutkircher Brauerei Härle ihrer gewohnten Arbeit nach. Doch wie lange ist das noch möglich? Gambier müssen sich eher darauf einstellen, mittelfristig nicht in Deutschland bleiben zu können. Die Rechtssicherheit, sowohl für die betroffenen Asylbewerber als auch für die Betriebe, die Flüchtlinge beschäftigen, stand im Mittelpunkt einer Diskussion mit Manfred Lucha (Grüne), dem baden-württembergischen Sozialund Integrationsminister, am Vortag in der Malztenne der Brauerei.
Gastgeber Gottfried Härle bleibt auch am Tag danach dabei, dass der Erfahrungsaustausch „wertvoll“war. Dabei konnte Lucha keine Versprechen abgeben, dass sich die Probleme schnell aus der Welt schaffen ließen. Das von ihm erhoffte und von seiner Partei seit Langem geforderte neue, den aktuellen weltweit herrschenden politischen Verhältnissen angepasste Einwanderungsrecht zählt zu der langen Liste jener Agenda, die nach den anstehenden Bundestagswahlen wieder zum Aufruf kommen wird. „Aber es kann sich noch einiges bis Herbst tun“, sagt er dennoch.
Lucha hat auch diese Veranstaltung mitgenommen als Beleg dafür, dass sich Firmen, kleine wie große, aktiv einbringen in den so schwierigen Prozess, Flüchtlingen Perspektiven auf dem Arbeitsmarkt zu ermöglichen. Mit unterschiedlichen Erfahrungen. Mit unterschiedlichen Motiven. Gutmenschentum allein sei nicht die Triebfeder. „Die Betriebe haben auch den Arbeitsmarkt stark im Blick.“Dieser aber ist in vielen Branchen leergefegt, zumindest in Oberschwaben.
„Bürokratieaufwand zu groß“Yasemin Özturk von einer in Waldburg sitzenden Döner Gmbh berichtet, von anfänglich fünf aus Syrien stammenden Flüchtlingen seien zwei wieder nach Istanbul zurückgekehrt. „Der Bürokratieaufwand war zu groß.“Lucha kann das verstehen. Er sinniert darüber, dass die Behörden sehr stark mit einem „Verfahrensmix“von schon länger zurückliegenden und aktuellen Anträgen beschäftigt seien. Die Unwägbarkeit aber nimmt aufnahmebereiten Arbeitgebern durchaus den Schwung.
Michael Hetzer von Leutkirchs größtem Arbeitgeber Elobau kann das eher verkraften. Einerseits muss sich die in eine Stiftung überführte Firma nicht mit Bewerbungsmangel auseinandersetzen. Andererseits sieht er sich auch in einer gesellschaftlichen Verantwortung, Flüchtlinge zu integrieren. Elobau hat sich mit den beiden Welten arrangiert.
Positiv denkt auch Reinhard Sichler vom Leutkircher Boschservice. Im zweiten Lehrjahr schon hat er einen Flüchtling unter Vertrag, der auch deswegen sehr motiviert sei, „weil er merkt, dass man hinter ihm steht“. Auch Gottfried Härle weist darauf hin, wie wichtig in den Betrieben vor Ort es sei, ein Zusammengehörigkeitsgefühl zu entwickeln. Dieter Hierlemann vom Gasthaus Adler in Dietmanns, der drei Flüchtlinge aus drei Nationen beschäftigt, sieht das ähnlich. Mitarbeiter könnten sich stark in die Betreuung einbringen. Auch bei seiner Wortmeldung wird klar: „Das große Problem ist die Rechtssicherheit. Diese möchte der Arbeitgeber, diese möchte jeder Flüchtling.“
Der Bogen schließt sich mit Fregiste Ridel, als IT-Techniker derzeit bei einem Unternehmen in Aichstetten beschäftigt. „Wir leben in einer großen Unsicherheit. Das ist die Generalfrage“, so schildert er stellvertretend wohl für andere Schicksalsgenossen den Alltag eines mittlerweile in den Arbeitsalltag integrierten Flüchtlings, der noch immer keinen gesicherten Aufenthaltsstatus besitzt. Lucha bleibt da nur der Blick zurück. Zu lange habe in Deutschland anstatt ein Aufnahme- ein Abwehrrecht geherrscht.