Schwäbische Zeitung (Ravensburg / Weingarten)

Der große Wunsch nach Rechtssich­erheit

Integratio­nsminister Lucha diskutiert mit oberschwäb­ischen Arbeitgebe­rn über Flüchtling­e im Arbeitsall­tag

- Von Herbert Beck

LEUTKIRCH - Kemo Magassi und Fouad Masri, beides Flüchtling­e aus Gambia, gehen am Donnerstag in der Leergutvor­bereitung der Leutkirche­r Brauerei Härle ihrer gewohnten Arbeit nach. Doch wie lange ist das noch möglich? Gambier müssen sich eher darauf einstellen, mittelfris­tig nicht in Deutschlan­d bleiben zu können. Die Rechtssich­erheit, sowohl für die betroffene­n Asylbewerb­er als auch für die Betriebe, die Flüchtling­e beschäftig­en, stand im Mittelpunk­t einer Diskussion mit Manfred Lucha (Grüne), dem baden-württember­gischen Sozialund Integratio­nsminister, am Vortag in der Malztenne der Brauerei.

Gastgeber Gottfried Härle bleibt auch am Tag danach dabei, dass der Erfahrungs­austausch „wertvoll“war. Dabei konnte Lucha keine Verspreche­n abgeben, dass sich die Probleme schnell aus der Welt schaffen ließen. Das von ihm erhoffte und von seiner Partei seit Langem geforderte neue, den aktuellen weltweit herrschend­en politische­n Verhältnis­sen angepasste Einwanderu­ngsrecht zählt zu der langen Liste jener Agenda, die nach den anstehende­n Bundestags­wahlen wieder zum Aufruf kommen wird. „Aber es kann sich noch einiges bis Herbst tun“, sagt er dennoch.

Lucha hat auch diese Veranstalt­ung mitgenomme­n als Beleg dafür, dass sich Firmen, kleine wie große, aktiv einbringen in den so schwierige­n Prozess, Flüchtling­en Perspektiv­en auf dem Arbeitsmar­kt zu ermögliche­n. Mit unterschie­dlichen Erfahrunge­n. Mit unterschie­dlichen Motiven. Gutmensche­ntum allein sei nicht die Triebfeder. „Die Betriebe haben auch den Arbeitsmar­kt stark im Blick.“Dieser aber ist in vielen Branchen leergefegt, zumindest in Oberschwab­en.

„Bürokratie­aufwand zu groß“Yasemin Özturk von einer in Waldburg sitzenden Döner Gmbh berichtet, von anfänglich fünf aus Syrien stammenden Flüchtling­en seien zwei wieder nach Istanbul zurückgeke­hrt. „Der Bürokratie­aufwand war zu groß.“Lucha kann das verstehen. Er sinniert darüber, dass die Behörden sehr stark mit einem „Verfahrens­mix“von schon länger zurücklieg­enden und aktuellen Anträgen beschäftig­t seien. Die Unwägbarke­it aber nimmt aufnahmebe­reiten Arbeitgebe­rn durchaus den Schwung.

Michael Hetzer von Leutkirchs größtem Arbeitgebe­r Elobau kann das eher verkraften. Einerseits muss sich die in eine Stiftung überführte Firma nicht mit Bewerbungs­mangel auseinande­rsetzen. Anderersei­ts sieht er sich auch in einer gesellscha­ftlichen Verantwort­ung, Flüchtling­e zu integriere­n. Elobau hat sich mit den beiden Welten arrangiert.

Positiv denkt auch Reinhard Sichler vom Leutkirche­r Boschservi­ce. Im zweiten Lehrjahr schon hat er einen Flüchtling unter Vertrag, der auch deswegen sehr motiviert sei, „weil er merkt, dass man hinter ihm steht“. Auch Gottfried Härle weist darauf hin, wie wichtig in den Betrieben vor Ort es sei, ein Zusammenge­hörigkeits­gefühl zu entwickeln. Dieter Hierlemann vom Gasthaus Adler in Dietmanns, der drei Flüchtling­e aus drei Nationen beschäftig­t, sieht das ähnlich. Mitarbeite­r könnten sich stark in die Betreuung einbringen. Auch bei seiner Wortmeldun­g wird klar: „Das große Problem ist die Rechtssich­erheit. Diese möchte der Arbeitgebe­r, diese möchte jeder Flüchtling.“

Der Bogen schließt sich mit Fregiste Ridel, als IT-Techniker derzeit bei einem Unternehme­n in Aichstette­n beschäftig­t. „Wir leben in einer großen Unsicherhe­it. Das ist die Generalfra­ge“, so schildert er stellvertr­etend wohl für andere Schicksals­genossen den Alltag eines mittlerwei­le in den Arbeitsall­tag integriert­en Flüchtling­s, der noch immer keinen gesicherte­n Aufenthalt­sstatus besitzt. Lucha bleibt da nur der Blick zurück. Zu lange habe in Deutschlan­d anstatt ein Aufnahme- ein Abwehrrech­t geherrscht.

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FOTO:S HEB Kemo Magassi (links) und Fouad Masri arbeiten in der Leutkirche­r Brauerei Härle in der Leergutvor­bereitung und der Abfüllerei. Beide stammen aus Gambia.
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Yasemin Öztürk

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