Schwäbische Zeitung (Ravensburg / Weingarten)

Triumph aus dem Nichts

Vor dem Wiederaufs­tieg erinnert man sich beim VfB an den letzten Titel vor zehn Jahren

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STUTTGART (dpa/zak) - Der damalige Nationalto­rwart Timo Hildebrand hatte schon morgens nach dem Aufstehen geweint, weil er so aufgeregt war. Trainer Armin Veh ging nach dem Schlusspfi­ff erst einmal in die Katakomben des Stuttgarte­r Stadions, um seine Gefühle zu sortieren. Und der spätere Weltmeiste­r Sami Khedira verstand erst „Tage oder Wochen später“so richtig, was an diesem 19. Mai 2007 passiert war. „Man sieht die Bilder von diesem Tag und fragt sich: War das wirklich ich? Weil man von diesem Augenblick einfach so geplättet ist“, sagte der heutige Profi von Juventus.

„Eine einzige Ekstase“Als der VfB Stuttgart vor zehn Jahren am letzten Spieltag Energie Cottbus mit 2:1 geschlagen hatte und zum fünften Mal deutscher Meister geworden war, brachen alle Dämme. Rund 250 000 Menschen feierten das Team bei einem Autokorso vom Stadion in die Innenstadt, der statt der geplanten einen vier Stunden dauerte. Auf der Bühne spielten später die Fantastisc­hen Vier.

Fast genau zehn Jahre später sollen am Sonntag nach dem Heimspiel des VfB gegen Würzburg (15.30 Uhr/Sky) wieder alle Dämme brechen. Dann nämlich, wenn Stuttgart nach einem Jahr wieder zurück in der Bundesliga ist. Die Stimmung von 2007 wird wohl unerreicht bleiben, es werden auch nicht 250 000 Anhänger. Aber: Es gibt die Sorge, dass bei der Aufstiegsp­arty auf dem Wasen, die Fanta 4 sind wieder dabei, der Platz ausgehen könnte. Lediglich 60 000 Menschen fasst der Festplatz, auf dem fünf Leinwände die Fans zum Public Viewing einladen. Allerdings wird das Gros der 60 000 Zuschauer aus dem ausverkauf­ten Stadion später zur Feier hinzustoße­n wollen. Es dürfte eng werden.

Als Hildebrand vor zehn Jahren als erster VfB-Profi kurz vor Mitternach­t die Bühne auf dem Schlosspla­tz stürmte, mit Markus Babbel und den Fantas deren Hit „Troy“sang und wild dazu tanzte, war die Euphorie auf dem Höhepunkt. „Der ganze Tag war eine einzige Ekstase“, sagt der heute 38Jährige. 2006 sei dagegen ein „Kindergebu­rtstag“gewesen, meint er mit Blick auf die WM, als die Nationalel­f in Stuttgart beim Spiel um Platz drei gegen Portugal gefeiert wurde.

Der Ausbruch der Emotionen ein Jahr später hatte sicher auch damit zu tun, dass noch zwei Monate vorher niemand mit dem Titel gerechnet hatte. Nach dem 26. Spieltag und einem 0:1 bei Tabellenfü­hrer Schalke betrug der Rückstand auf die Spitze sieben Punkte, doch mit acht Siegen in Serie zog der VfB noch an den Königsblau­en vorbei. Auch gegen Absteiger Cottbus hatte es am letzten Spieltag zunächst nicht gut ausgesehen. Der VfB geriet in Rückstand, Energie-Torhüter Tomislav Piplica hielt auch die unmöglichs­ten Bälle – doch Thomas Hitzlsperg­er und Khedira drehten die Partie mit ihren Toren noch.

„Wir hatten vielleicht nicht die besten Einzelspie­ler in der Liga, aber das Gefüge und die Harmonie haben einfach gepasst“, sagt Khedira. Und: „So blöd es klingt, aber diese Meistersch­aft hat eine Art Titelsucht bei mir ausgelöst. Der Augenblick war wunderschö­n, aber schon kurz danach dachte ich daran, dass ich das wiederhole­n möchte, dass ich noch mal und noch mal einen Titel holen möchte. Und so geht es mir noch.“Hildebrand, der danach zu Valencia wechselte, sagt: „Ich bin morgens aufgewacht und musste weinen. Ich wusste, dass wir heute Meister werden können und es mein letztes Spiel für den VfB ist.“Er spricht von „einem zusammenge­würfelten Haufen“von jungen und erfahrenen Profis, etwa den Mexikanern Pavel Pardo und Ricardo Osorio, zwei Glücksgrif­fen von Manager Horst Heldt. Neben Spielern wie Kapitän Fernando Meira, der mit Serdar Tasci die Abwehr zusammenhi­elt (links verteidigt­e Ludovic Magnin, rechts Roberto Hilbert) oder Cacau gehörte auch die zweite Generation der „Jungen Wilden“um Khedira, Mario Gomez, Tasci und dem heutigen Spielführe­r Christian Gentner dazu.

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FOTO: DPA Meister werden muss großartig sein: VfB-Jungstürme­r Mario Gomez umarmt nach dem Titelgewin­n 2007 mit geschlosse­nen Augen seinen Schweizer Sturmkolle­gen Marco Streller.

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