Schwäbische Zeitung (Ravensburg / Weingarten)
Kultur leben
U nter der Losung „Du siehst mich“(aus dem 1. Buch Mose) findet in Berlin diese Woche der Evangelische Kirchentag statt. Als globale Herausforderung verstehen die Veranstalter das Motto, weil das Wohlstandsmodell der westlichen Gesellschaften, zunehmend auch das der neuen Eliten und Mittel schichten in den Wachstums gesellschaften im Süden nur auf Kosten einer nie dagewesenen Plünderung ganzer Weltregionen und jener Armen und in die Armut Getriebenen funktioniert, die wir nicht sehen. Nicht sehen wollen, denn die Fakten sind bekannt und werden in allen Medien berichtet. Der Soziologe Stephan Lessenich beschreibt diese Verdrängung in allen Lebensbereichen im seinem brillanten, provokativen Buch„ Neben uns die Sintflut “( Hans er Berlin) über die„ Externali sie rungsgesellsc haft “, die auf dem Vulkan tanzt und die Lava nicht sieht. Nicht begreift, dass die, die wir nicht sehen, an unseren Küsten landen, an unsere Türen klopfen, und es mehr werden und mehr. Es sind ja vorwiegend christliche Gesellschaften, die die Sintflut verursachen und leugnen, Trumps Klima politik und diefun damen talis tischen Kirchen in den USA die erschreckendsten Beispiele. Andere Vorbilder gäbe es ja im Christentum: die Befreiungstheologie, die Bergpredigt, die politischen Analysen der Armut von „Brot für die Welt“oder „Misereor“und deren emanzipative „Hilfe“für die Nicht-Gesehenen. Sie, und Tausende, die in diesem Lande täglich hinsehen, wo andere wegsehen, oder abschieben, und Kritiker der Globalisierung, die weltweit über nachhaltige, sozial gerechte Entwicklungsmodelle forschen, könnten das Motto des Kirchentages ausreichend mit Erfahrungen und konkreten Utopien füllen. Aber es braucht den globalen Rockstar, dessen jüngste Lebensphase wie ein Hohn auf den Kirchentag wirkt: Barack Obama. Er cruist nun mit Michelle, nach all den präsidialen Entbehrungen, auf den Multimillionen-Yachten seiner Milliardärs-Freunde durch die Südsee, legt sehr umweltbewusst auf winzigen Luxus-Atollen an, die in ein paar Jahren im Meer versunken sein werden. Sein neues, edelstes Lebensziel: alle vorigen Präsidenten, insbesondere die Clintons, zu überholen, die mit ihren Reden vor Amerikas Bankern und Konzernchefs um die 120 Millionen kassiert haben. Allein für zwei Biografien sollen die Obamas 65 Millionen Dollar kassieren; er ist nun über die edle Walker Agency in New York zu buchen. 400 000 Dollar für 60 Minuten Politphrasen. Zur Rettung der Menschheit vor jenem Kapital, das ihn als Edeldeko ausleiht. Wie es in US Medien heißt, denken seine Berater über eine Welttour nach. 45 Minuten an den Hotspots der globalen Sintflutler zu standardisierten 400 000 Dollar, plus Luxus-Dinner. Vielleicht lässt sich Michelle noch einbauen? Wie Bill & Hillary. Noch Fragen, was einer wie Obama sieht, außer den Millionen auf dem Konto und dem Schampus an Bord? Was hat die einstige Hoffnung auf ein soziales Amerika in Berlin denen zu sagen, die jene sehen, die ein Obama nie gesehen hat, sein 400 000 Dollar-Publikum auch nicht. Die oft nicht 1000 Dollar im Jahr haben? Zynischer PR-Gag einer Kirche, die sich noch immer nach oben orientiert, nicht nach unten? Oder etwa Wahlkampf, weil Obama mit Angela Merkel öffentlich über globale Verantwortung reden wird. Angeblich honorarfrei. Ja?