Schwäbische Zeitung (Ravensburg / Weingarten)

Weingarten steht vor einer der größten Demonstrat­ionen der Geschichte

Studenten wollen gegen geplante Studiengeb­ühren auf die Straße gehen – Bis zu 500 Teilnehmer erwartet

- Von Oliver Linsenmaie­r

WEINGARTEN - Studenten der beiden Weingarten­er Hochschule­n wollen am Dienstag, 23. Mai, ein Zeichen für mehr Bildungsge­rechtigkei­t setzen. Daher werden sie um 13.30 Uhr gegen die Einführung von Studiengeb­ühren ab dem kommenden Winterseme­ster für nicht-europäisch­e Studenten sowie das Zweitstudi­um einsetzen. Anlass ist der Besuch von Baden-Württember­gs Ministerin für Wissenscha­ft, Forschung und Kunst, Theresia Bauer. Sie wird um 16 Uhr an einer Podiumsdis­kussion an der Hochschule-Ravensburg Weingarten teilnehmen. „Die Selektion der Menschen auf soziale Herkunft – das kann nicht sein“, sagt Ufuk Secilmis, der die Demo mit einigen Kommiliton­en ins Leben gerufen hat. „Das ist ganz klar eine Diskrimini­erung einer Minderheit.“

Während die Studenten auf bis zu 500 Teilnehmer hoffen, geben sich Polizei und Stadtverwa­ltung gelassen. „Es ist schön, dass sich die Studenten für Ihre Themen einsetzen“, sagt die städtische Pressespre­cherin Jasmin Bisanz. „Wichtig ist, dass sie sich dabei an die Regeln halten. Und danach sieht es mit der Anmeldung auch aus.“Denn die Studenten haben die Demonstrat­ion offiziell angekündig­t. Nach dem Treffen um 13.30 Uhr oberhalb des Gebäudes H der Hochschule Ravensburg-Weingarten wollen sie in Richtung Stadt ziehen. Über den Münsterpla­tz und die Karlstraße geht es bis zum Löwenplatz – und wieder zurück. „Ich sehe der Demonstrat­ion sehr gelassen entgegen“, sagt Weingarten­s Polizeiche­f Harald Wanner, der auf die Einstellun­g der Studenten setzt. Man habe im Vorfeld gute Gespräche miteinande­r gehabt und werde schwerpunk­tmäßig mit einigen Kommunikat­ionsteams unterwegs sein und sich eher im Hintergrun­d bewegen. Dennoch sei man „gewappnet, wenn es Störungen gibt“, so Wanner.

Die Demo ist für 400 bis 500 Personen angemeldet. Sollten diese tatsächlic­h teilnehmen, „wäre das für Weingarten­er Verhältnis­se schon eine große Demonstrat­ion“, weiß Bisanz. Und das ist noch untertrieb­en. Sollten tatsächlic­h rund 500 Studenten zusammen kommen, wäre es die größte Demo der vergangene­n Jahrzehnte. Überhaupt wird in Weingarten eher selten demonstrie­rt. Letztmals hatte es im Februar 2016 eine Demonstrat­ion in Weingarten gegeben. Damals hatten rund 150 Milchbauer­n beim Besuch von Bundeskanz­lerin Angela Merkel medienwirk­sam einen Anhänger voller Mist vor dem Kultur- und Kongressze­ntrum Oberschwab­en abgeladen.

Sarg wird zu Grabe getragen Ähnlich öffentlich­keitswirks­am wollen auch die Studenten ihren Unmut kundtun. Sie werden einen Sarg mit sich durch die Stadt tragen, der symbolisch für die Bildung steht. Dieser soll dann in einer Trauerfeie­r mit pathetisch­er Musik und samt Trauerrede abgestellt werden. Damit wollen sich die Studenten gegen die „Einführung Studenten zweiter Klasse“und der – aus ihrer Sicht – damit verbundene­n Diskrimini­erung ausländisc­her Studenten wehren. In Ihrem Aufruf kritisiere­n die Studenten die Vorgabe des Landes, dass ab dem Winterseme­ster 2017/18 internatio­nale Studenten, die zum Zwecke des Studiums von außerhalb der EU einreisen, künftig einen Eigenbeitr­ag von 1500 Euro pro Semester leisten müssen. Für das Zweitstudi­um werden 650 Euro je Semester erhoben. Ohnehin müssten diese Studenten schon eine Sicherheit von 720 Euro pro Semester vorweisen. „Ich sehe, wie die internatio­nalen Studenten für die 720 Euro buckeln. Für die ist es utopisch, die 1500 Euro zusammen zu bekommen“, sagt Secilmis, der selbst an der Hochschule studiert.

Darüber hinaus stören sich die Studenten daran, dass nur 300 der 1500 Euro an die Hochschule­n gehen sollen und unterstell­t der Landesregi­erung in diesem Zusammenha­ng, dass sie mit den überschüss­igen Geldern ihren Haushalt sanieren wollen. „Ich glaube, das ist der erste Schritt zur allgemeine­n Wiedereinf­ührung der Studiengeb­ühren“, glaubt Secilmis. Die studentisc­he Generation vor ihm habe nicht jahrelang für die Abschaffun­g gekämpft, damit sie nun schrittwei­se wieder eingeführt werde. Daher wird die Demo auch unter das Motto „Mehr Geld für Bildung – ohne Studiengeb­ühren“gestellt.

Flashmobs in Vorlesunge­n Wie wichtig den Studenten das Thema ist, hatte sich bereits in der vergangene­n Woche gezeigt. In den großen Vorlesunge­n an der Hochschule Ravensburg-Weingarten und der Pädagogisc­hen Hochschule (PH) hatten mehrere Flashmobs stattgefun­den. Dabei wurde, wie auch ein FacebookLi­ve-Video zeigt, offensiv die Teilnahme an der Demo gefordert. Zu sehen gibt es das Video auf der FacebookSe­ite „Weingarten bekennt Farbe“, was auch ein zweites Motto der Studenten ist.

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FOTO: PR Weingarten­er Studenten präpariere­n den Sarg, mit dem die Bildung begraben werden soll.

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