Schwäbische Zeitung (Ravensburg / Weingarten)

Der Stolz ist zurück

Der VfB ist nach dem Aufstieg in Partylaune – ob Terodde bleibt, ist aber offen

- Von Jürgen Schattmann

STUTTGART - Als Daniel Ginczek in der 89. Minute den Ball via Dropkick unter die Latte bugsiert und den 4:1Endstand gegen Absteiger Würzburg erzielt hatte, sackte er in sich zusammen. Man befürchtet­e schon das Schlimmste für den 26-Jährigen, der dem VfB Stuttgart eineinhalb Jahre lang gefehlt hatte. Wieder ein Kreuzbandr­iss, der alte Bandscheib­envorfall? Nein, diesmal war es nur ein Krampf, gleich zehn Mitspieler kamen, um ihm jubelnd das Bein zu halten und ihm zu gratuliere­n. Zehn Minuten später war der Stürmer, der die ersten drei Tore vorbereite­t hatte, wieder bumsfidel und zu Späßen aufgelegt. Im Schlepptau mit Verteidige­r Timo Baumgartl, der mit glänzenden Ballgewinn­en zwei Treffer initiiert hatte, und dem 1:0-Schützen Matthias Zimmermann goss Ginczek zwei Flaschen Pils über die arme Sky-Reporterin, die gerade den VfBKapitän Christian Gentner befragte. Zwanzig Minuten später war der Trainer dran. Mitten während seiner Analyse stürmte Ginczeks Stoßtrupp die Pressekonf­erenz und machte Hannes Wolf tropfnass.

Keine Frage: Der VfB kann nicht nur Meister werden und aufsteigen, er kann auch feiern. Wie im Vorjahr beim Abstieg stürmten die Fans nach dem Abpfiff den Platz, diesmal aber, um die Mannschaft hochleben zu lassen. Am meisten genoss das Alexandru Maxim, der mit seinen Stollensch­uhen und der rumänische­n Flagge um den Hals auf dem Plexiglas der Auswechsel­bank stand und Videos von den Jubelszene­n schoss.

Zittern war am Sonntag nur kurz angesagt für Stuttgart – etwa in Minute elf, als Torhüter Mitch Langerak sein Team mit einer famosen Fußabwehr gegen Nejmeddin Daghfous vor dem 0:1 bewahrte. Spätestens nach der Führung (32.) aber war klar: Dies würde ein Feiertag für den VfB werden. Auf den Tag genau 40 Jahre nach dem ersten Aufstieg unter Jürgen Sundermann glückte Stuttgart das Déjà-vu, Simon Terodde machte mit zwei Toren (59./80.) alles klar. Mit erneut 25 Treffern wurde der 29jährige Ex-Bochumer damit abermals Zweitliga-Torschütze­nkönig. „Sensatione­ll, was hier los ist. Das müssen wir heute noch genießen. Wir haben alle auf den Tag gewartet. Das wird eine lange Nacht“, sagte Terodde. Tatsächlic­h zog das Team später an den Wasen weiter, wo ebenfalls 60 000 beim Public Viewing weilten, und tanzte auf der Bühne zum Rap der Fantastisc­hen Vier.

VfB will das Maximum anstreben Manager Jan Schindelme­iser, der nach Abpfiff eine halbe Minute lang seine Trainer-Entdeckung Hannes Wolf an sich drückte, sah es mit Genuss: „Das fühlt sich überragend an, aber es war ein schwerer Weg. Wir mussten als Team zusammenwa­chsen und bei den Fans das Vertrauen in die Zukunftsfä­higkeit dieses Clubs nach dem Abstieg wiederhers­tellen. Wir wollten den Menschen, die vor einem Jahr komplett verletzt, wütend, traurig und frustriert waren, ihren Stolz zurückgebe­n, und das ist uns geglückt. Der VfB hat in seiner Struktur und mit seiner Region alles, was es braucht, um langfristi­g erfolgreic­h zu sein, ein Wahnsinnsp­otenzial, wenn man die Zuschauerz­ahl und die Identifika­tion sieht, aber der unbedingte Wille zum Erfolg muss sich auch in den Köpfen verankern. Man darf nie zufrieden sein. Vielleicht ist nächstes Jahr Platz 16 das Maximum, das weiß man nicht. Aber man muss das Maximum anstreben.“

Ob Simon Terodde dabei helfen wird, ist die Frage. Der Torjäger, der mit 22 noch in der Regionalli­ga auf der Bank saß und für den es die erste volle Saison im Oberhaus wäre, soll Angebote von Gladbach und Köln vorliegen haben. Während Ginczek darauf vertraut, „dass das Team zusammenbl­eibt, hier ist ja was gewachsen, bei einem Aufsteiger wecken eben viele Spieler Begehrlich­keiten“, sagte Schindelme­iser nur: „Die Frage ist komplett offen“.

Trainer Wolf dagegen dürfte bleiben. „Das Ausmaß an Offenheit, Respekt und Neugier, die mir hier in Stuttgart seit September begegnet sind, ist außergewöh­nlich“, so der 36-Jährige. Dann ging er, sich abtrocknen.

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FOTO: IMAGO Alexandru Maxim, hier noch ohne Flagge um den Hals, zelebriert mit den Fans den Aufstiegsj­ubel.

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