Schwäbische Zeitung (Ravensburg / Weingarten)
Roboterhochzeit
Aus dem Silicon Valley kommen die besten Erfindungen der Welt. Seit sie dort die schlauen Telefone erschaffen haben, muss man sich beim Essen nicht mehr unterhalten, sondern kann sich ungestört dem Genuss hingeben, während Kinder und Lebenspartner die Mails checken. In diesem begnadeten Landstrich, der bei Mexikanern so beliebt ist, dass The Donald eine Mauer errichten muss, können sie einfach alles: dem Wein Alkohol entziehen, denselben Film achtmal ins Kino bringen, weitschweifige Präsidentenreden auf 140 Zeichen eindampfen. Und Leute verehelichen, die in Wirklichkeit gar nicht da sind.
Elisa Evans (45) und Martin Shervington (43) zum Beispiel sind in Wales. Am Donnerstag werden sie in einem Blumenladen in Cardiff ihr HMD-Kopfteil aufsetzen, ebenso die Familie und die Freunde überall auf dem Planeten. Mittels der Optik der visuellen Kopfbedeckungen sind dann wohl 150 Personen in einem futuristischen Nachtclub versammelt, um dem Jawort der beiden zu lauschen. Die Zeremonie leitet – 8500 Kilometer entfernt in Rockwood, San Francisco – die „Content-Kreatorin“ Lisa Kotecki von AltspaceVR. Martin und Alisa werden als Avatare heiraten. Im Silicon Valley haben sie herausgefunden, dass die Kunstfiguren der virtuellen Realität einfach besser aussehen als ein Mensch mit begrenzter Restlaufzeit. Standardmodell genügt: Martin tritt als blauer Roboter auf, Elisa als weiß-pinker. Shervingtons Kommentar: „Ich mag die Idee, kein Humanoider zu sein.“Das Menschsein wird überschätzt, nicht nur in Trumps Amerika gibt es Leute, die das begriffen haben. (hü)