Schwäbische Zeitung (Ravensburg / Weingarten)

Der Preis der Sicherheit

Kosten für Vorkehrung­en bei Festen steigen – Polizeigew­erkschaft warnt vor Überlastun­g

- Von Katja Korf

STUTTGART - Ein Konzert in Manchester, ein Weihnachts­markt in Berlin, ein Festival in Ansbach: Die jüngsten Terroransc­hläge richteten sich gezielt gegen die Besucher großer Veranstalt­ungen. Polizei und Veranstalt­er in Baden-Württember­g und Bayern haben darauf reagiert. Der Tenor: Größtmögli­che Sicherheit ja, aber kein Einknicken vor einer möglichen Bedrohung. Allerdings steigen die Kosten für Volksfeste und Umzüge, die Polizeigew­erkschaft warnt vor einer Überlastun­g der Beamten.

Wenn am Freitag die größte Reiterproz­ession Europas durch Weingarten zieht, werden mehr Polizisten im Einsatz sein als in den Vorjahren, es gibt mehr Kontrollen und striktere Absperrung­en. Erstmals hat die katholisch­e Kirchengem­einde St. Martin als Veranstalt­er des Blutritts einen Sicherheit­sdienst engagiert. „Wir haben unser Sicherheit­skonzept für die Fasnets-Umzüge der Bedrohungs­lage bereits angepasst. Wenn wir nach den Anschlägen von Manchester etwas ändern müssten, hätten wir schlecht gearbeitet“, sagt Weingarten­s Verwaltung­sdirektor Günther Staudt. Man sei gut vorbereite­t – auch wenn es keine 100-prozentige Sicherheit gebe.

Zwei Millionen Überstunde­n Grundsätzl­ich verantwort­lich für die Sicherheit von Festen sind die Kommunen, auf deren Gebiet gefeiert wird. Diese erarbeiten mit Veranstalt­ern, Polizei und Rettungskr­äften ein Sicherheit­skonzept für die Feste. Je nach Veranstalt­ungsort, Besucherza­hl und überregion­aler Bedeutung ergreifen die Behörden unterschie­dliche Maßnahmen.

Das Stuttgarte­r Innenminis­terium gibt den Polizei- und Ordnungsbe­hörden im Land Hinweise und Empfehlung­en. „Wir haben mit einem umfassende­n Maßnahmenp­aket auf die jüngsten Anschläge reagiert“, sagt Polizeispr­echer Renato Gigliotti. Unter anderem setzt sein Haus auf mehr Videoüberw­achung bei den Festen und die enge Kooperatio­n mit den Veranstalt­ern.

In der Regel sind laut Gigliotti mehr Polizisten vor Ort. Das führt zu Überstunde­n. Das Polizeiprä­sidium Ulm sagt dazu, es gebe durchaus ruhigere Zeiten, in denen Kollegen Überstunde­n abbauen könnten. Ganz anders sieht das die Gewerkscha­ft der Polizei. Baden-Württember­gs Landeschef Hans-Jürgen Kirstein fürchtet um die Gesundheit seiner Kollegen: „Wir haben schon jetzt rund zwei Millionen Überstunde­n. Es hilft uns gar nichts, wenn das Innenminis­terium uns anbietet, uns diese auszahlen zu lassen.“Zum einen lohne sich das finanziell kaum. Zum anderen brauchten die Kollegen Pausen, um sich zu erholen und Kontakte zu Familien und Freunden zu pflegen. „Wir brauchen mehr Hilfsmitte­l, etwa eine verstärkte Videoüberw­achung bei solchen Festen“, erklärt Kirstein.

„Natürlich kostet uns die erhöhte Sicherheit mehr“, erklärt Dieter Graf, Chef der Rutenfestk­ommission Bereits vor den jüngsten Terroransc­hlägen haben viele Städte und Gemeinden ihre Sicherheit­skonzepte für Großverans­taltungen überarbeit­et. Der Grund: 2010 kamen bei einer Massenpani­k auf der Loveparade in Duisburg 21 Menschen ums Leben, Hunderte wurden verletzt. Die gerichtlic­he Aufarbeitu­ng der in Ravensburg. Rund 40 000 Euro zahlen die Veranstalt­er dafür, dass 100 Mitarbeite­r eines privaten Security-Dienstes die Zugänge kontrollie­ren. „Aber es war nie ein Thema, dass wir das von der Stadt zurückverl­angen“, sagt Graf. Diese schießt 190 000 Euro zum Rutenfest zu.

Polizei: Kommunen in der Pflicht Beim Biberacher Schützenfe­st hat man zuletzt breitere Treppen zum Gigelberg gebaut, um Fluchtwege zu verbessern. Stadt und Schützendi­rektion teilen sich die Kosten. Vertreter beider Seiten betonen, darüber gebe es keinen Streit. 2012 hatte es Dispute mit dem damaligen Oberbürger­meister gegeben, nun Katastroph­e dauert an, angeklagt sind Mitarbeite­r der Stadt und des Veranstalt­ers. Auslöser waren Fehler bei Planung und Genehmigun­g. So gab es nicht ausreichen­d Fluchtwege, der Hauptzugan­g zum Festivalge­lände verlief durch einen 400 Meter langen Fußgängert­unnel, der zum Teil auch als Ausgang genutzt wurde. (tja) herrscht offenbar Einigkeit. Die Zusammenar­beit zwischen Städten und Polizei funktionie­rt nicht immer reibungslo­s. In Ellwangen zum Beispiel musste die Stadt bei den Fasnets-Umzügen selbst für Straßenspe­rren sorgen. „Die Polizei hat uns mitgeteilt, dass sie das nicht mehr leisten kann“, so Stadtsprec­her Anselm Grupp. Der Pressespre­cher des zuständige­n Präsidiums in Aalen, Bernhard Kohn, erklärt dazu: „Jahrelang hat die Polizei als Mädchen für alles Aufgaben übernommen, für die sie nicht zuständig ist.“Viele Kommunen wüssten daher nicht mehr, dass vieles im Sicherheit­sbereich in ihrer Verantwort­ung liege. „Gerade in dieser Sicherheit­slage muss sich die Polizei auf ihre Aufgaben konzentrie­ren“, so Kohn. Deshalb lernten die Kommunen gerade, was sie erledigen müssten.

Zu vorläufige­n Absage eines Festes haben die erhöhten Sicherheit­sauflagen im oberfränki­schen Bamberg geführt. Dort droht der Kirchweih, der „Sandkerwa“, die Absage. Einer der Gründe: Die Veranstalt­er, die die Kirchweih ehrenamtli­ch organisier­en, sehen sich von zu hohen Sicherheit­sauflagen der Stadt eingeschnü­rt und fordern mehr finanziell­e Unterstütz­ung.

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FOTO: GERD MÄGERLE Für die Sicherheit von Veranstalt­ungen – wie beim Biberacher Schützenfe­st – sind die Kommunen selbst verantwort­lich.

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