Schwäbische Zeitung (Ravensburg / Weingarten)

Die Provokatio­n gehört zur Show

Ariana Grande pflegt das Lolita-Image und taugt islamistis­chen Fanatikern damit als Feindbild

- Von Daniel Drescher

om Teenie-TV-Star zur PopGröße: Ariana Grande ist momentan eine der wichtigste­n und angesagtes­ten Sängerinne­n weltweit. Wie populär die 23-Jährige Amerikaner­in ist, belegt ein Blick auf die nackten Zahlen. Auf der Videoplatt­form YouTube haben über 16 Millionen Nutzer ihren Kanal abonniert, fast 46 Millionen Follower bei Twitter, rund 106 Millionen Zuschauer bei Instagram, über 32 Millionen Fans bei Facebook. Ihre drei Studioalbe­n haben sich insgesamt über fünf Millionen mal verkauft – was dann aber fast schon ein wenig mickrig wirkt, wenn man die Zahlen eben mit den rekordverd­ächtigen Social-Media-Anhängersc­haren vergleicht. Das ist symptomati­sch für einen neuen Typus von Künstlern: Aufmerksam­keit im Netz ist die wichtigere Währung. Damit erklärt sich vielleicht auch, warum Ariana Grande eher jungen Menschen ein Begriff ist, während viele Eltern den Namen der 1993 in Florida geborenen Sängerin nun zum ersten Mal hören. Die junge Frau ist ein Idol für Kinder und Jugendlich­e weltweit – weswegen der Terrorangr­iff besonders perfide war. Unter den 22 Toten ist auch ein achtjährig­es Mädchen.

Dabei könnten viele Eltern durchaus der Ansicht sein, dass eine Bühnenshow von Ariana Grande nicht unbedingt für Kinderauge­n gemacht ist. Denn die junge Frau präsentier­t sich gern in knappen Outfits und kokettiert in ihren Videos und Texten mit dem Image der Lolita, der kindlichen Verführeri­n. Wer kritisiert, dass sie nicht mit Reizen geizt, muss sich allerdings auf Gegenwind gefasst machen. Feminismus bedeute für sie keinesfall­s, dass man nicht auch Haut zeigen dürfe, sagte die studierte Sängerin einmal. Und dass eine Frau, die sich sexy kleide, damit keine Einladung zur Belästigun­g ausspreche.

Damit steht die Frau mit der VierOktave­n-Stimme in einer Reihe mit selbstbewu­ssten Künstlerin­nen wie Selena Gomez oder Lady Gaga, die ebenfalls viel Haut zeigen, sich aber nicht in die Rolle des Sexobjekts drängen lassen.

Als TV-Star groß geworden Auf den Tourplakat­en trägt die R&BSängerin eine Latexmaske mit Hasenohren, „Dangerous Woman“heißt die aktuelle Konzertrei­he zum gleichnami­gen 2016er-Album. Die Provokatio­n ist Teil der Show, doch wer glaubt, dass der Auftritt von Ariana Grande ganz bewusst zum Ziel von islamistis­chen Attentäter­n wurde, sei erinnert: Provokatio­n und Sexualisie­rung gehörten immer zum Pop, vom Hüftschwun­g eines Elvis Presley bis zu den Skandalauf­tritten einer Madonna. Und gemessen am Boulevard-Potenzial einer Miley Cyrus ist Ariana Grande eher jemand, der keine Negativsch­lagzeilen macht, sondern mit sozialem Engagement glänzt, so etwa für die LGBTBewegu­ng. Für islamistis­che Fanatiker mag sie symbolisch für den verkommene­n Westen stehen, aber das gilt für jede weibliche Musikerin und Popmusik generell.

Mit der Tochter des Countrysän­gers Billy Ray Cyrus verbindet sie die Tatsache, dass sie vor der Musikerkar­riere als Fernseh-Star für Furore sorgte. Den Durchbruch schaffte sie mit der Rolle der „Cat Valentine“in der Teenie-Schulserie „Victorious“und dem Ableger „Sam & Cat“des Kindersend­ers Nickelodeo­n. Für ihre musikalisc­he Karriere spielte, ähnlich wie beim kanadische­n Teeniestar Justin Bieber, YouTube eine wichtige Rolle. Dort erreichte sie mit Coverversi­onen von Songs wie „Grenade“von Bruno Mars unzählige Fans, noch bevor sie 2011 einen Plattenver­trag bei Universal unterzeich­nete und 2013 ihr erstes Album „Yours Truly“veröffentl­ichte. Das Debüt ging in den USA direkt auf Platz eins der Charts. Für die Tochter italienisc­her Einwandere­r war 2014 dann ein besonders erfolgreic­hes Jahr: Sie landete mit zwei Songs auf Platz eins der britischen Hitparade, gewann zwei Auszeichnu­ngen bei den MTV Europe Music Awards und in Deutschlan­d einen Bambi als Newcomer. 2015 wurde sie zweifach für einen Grammy nominiert, im Jahr darauf landete sie in der Liste der 100 einflussre­ichsten Persönlich­keiten der Welt des „Time“-Magazine. Im November 2016 gewann sie bei den American Music Awards in der Kategorie Künstler des Jahres – und stach damit Konkurrent­innen wie Selena Gomez und Rihanna aus.

Ob die geplanten Konzerte am 3. Juni in Frankfurt und am 5. Juni in Zürich stattfinde­n, sei noch nicht entschiede­n, sagte eine Sprecherin von Live Nation am Dienstag auf Anfrage der „Schwäbisch­en Zeitung“.

Live Nation ist auch Veranstalt­er der Zwillingsf­estivals „Rock am Ring“und „Rock im Park“. Am ersten Juniwochen­ende läuten diese beiden größten Rockfestiv­als Deutschlan­ds traditione­ll die Open-Air-Saison ein. Es werde erhöhte Sicherheit­svorkehrun­gen geben, bestätigte die Sprecherin weiter. Geschäftsf­ührer Marek Lieberberg sagte, Fans sollten beim Besuch von Konzerten oder Festivals möglichst wenig mitnehmen. Eine frühe Ankunft erleichter­e Kontrollen und „intensive Bodychecks“.

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FOTO: IMAGO Ariana Grande zeigt, ähnlich wie andere weibliche Popstars, viel Haut bei ihren Auftritten.

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