Schwäbische Zeitung (Ravensburg / Weingarten)
Die Provokation gehört zur Show
Ariana Grande pflegt das Lolita-Image und taugt islamistischen Fanatikern damit als Feindbild
om Teenie-TV-Star zur PopGröße: Ariana Grande ist momentan eine der wichtigsten und angesagtesten Sängerinnen weltweit. Wie populär die 23-Jährige Amerikanerin ist, belegt ein Blick auf die nackten Zahlen. Auf der Videoplattform YouTube haben über 16 Millionen Nutzer ihren Kanal abonniert, fast 46 Millionen Follower bei Twitter, rund 106 Millionen Zuschauer bei Instagram, über 32 Millionen Fans bei Facebook. Ihre drei Studioalben haben sich insgesamt über fünf Millionen mal verkauft – was dann aber fast schon ein wenig mickrig wirkt, wenn man die Zahlen eben mit den rekordverdächtigen Social-Media-Anhängerscharen vergleicht. Das ist symptomatisch für einen neuen Typus von Künstlern: Aufmerksamkeit im Netz ist die wichtigere Währung. Damit erklärt sich vielleicht auch, warum Ariana Grande eher jungen Menschen ein Begriff ist, während viele Eltern den Namen der 1993 in Florida geborenen Sängerin nun zum ersten Mal hören. Die junge Frau ist ein Idol für Kinder und Jugendliche weltweit – weswegen der Terrorangriff besonders perfide war. Unter den 22 Toten ist auch ein achtjähriges Mädchen.
Dabei könnten viele Eltern durchaus der Ansicht sein, dass eine Bühnenshow von Ariana Grande nicht unbedingt für Kinderaugen gemacht ist. Denn die junge Frau präsentiert sich gern in knappen Outfits und kokettiert in ihren Videos und Texten mit dem Image der Lolita, der kindlichen Verführerin. Wer kritisiert, dass sie nicht mit Reizen geizt, muss sich allerdings auf Gegenwind gefasst machen. Feminismus bedeute für sie keinesfalls, dass man nicht auch Haut zeigen dürfe, sagte die studierte Sängerin einmal. Und dass eine Frau, die sich sexy kleide, damit keine Einladung zur Belästigung ausspreche.
Damit steht die Frau mit der VierOktaven-Stimme in einer Reihe mit selbstbewussten Künstlerinnen wie Selena Gomez oder Lady Gaga, die ebenfalls viel Haut zeigen, sich aber nicht in die Rolle des Sexobjekts drängen lassen.
Als TV-Star groß geworden Auf den Tourplakaten trägt die R&BSängerin eine Latexmaske mit Hasenohren, „Dangerous Woman“heißt die aktuelle Konzertreihe zum gleichnamigen 2016er-Album. Die Provokation ist Teil der Show, doch wer glaubt, dass der Auftritt von Ariana Grande ganz bewusst zum Ziel von islamistischen Attentätern wurde, sei erinnert: Provokation und Sexualisierung gehörten immer zum Pop, vom Hüftschwung eines Elvis Presley bis zu den Skandalauftritten einer Madonna. Und gemessen am Boulevard-Potenzial einer Miley Cyrus ist Ariana Grande eher jemand, der keine Negativschlagzeilen macht, sondern mit sozialem Engagement glänzt, so etwa für die LGBTBewegung. Für islamistische Fanatiker mag sie symbolisch für den verkommenen Westen stehen, aber das gilt für jede weibliche Musikerin und Popmusik generell.
Mit der Tochter des Countrysängers Billy Ray Cyrus verbindet sie die Tatsache, dass sie vor der Musikerkarriere als Fernseh-Star für Furore sorgte. Den Durchbruch schaffte sie mit der Rolle der „Cat Valentine“in der Teenie-Schulserie „Victorious“und dem Ableger „Sam & Cat“des Kindersenders Nickelodeon. Für ihre musikalische Karriere spielte, ähnlich wie beim kanadischen Teeniestar Justin Bieber, YouTube eine wichtige Rolle. Dort erreichte sie mit Coverversionen von Songs wie „Grenade“von Bruno Mars unzählige Fans, noch bevor sie 2011 einen Plattenvertrag bei Universal unterzeichnete und 2013 ihr erstes Album „Yours Truly“veröffentlichte. Das Debüt ging in den USA direkt auf Platz eins der Charts. Für die Tochter italienischer Einwanderer war 2014 dann ein besonders erfolgreiches Jahr: Sie landete mit zwei Songs auf Platz eins der britischen Hitparade, gewann zwei Auszeichnungen bei den MTV Europe Music Awards und in Deutschland einen Bambi als Newcomer. 2015 wurde sie zweifach für einen Grammy nominiert, im Jahr darauf landete sie in der Liste der 100 einflussreichsten Persönlichkeiten der Welt des „Time“-Magazine. Im November 2016 gewann sie bei den American Music Awards in der Kategorie Künstler des Jahres – und stach damit Konkurrentinnen wie Selena Gomez und Rihanna aus.
Ob die geplanten Konzerte am 3. Juni in Frankfurt und am 5. Juni in Zürich stattfinden, sei noch nicht entschieden, sagte eine Sprecherin von Live Nation am Dienstag auf Anfrage der „Schwäbischen Zeitung“.
Live Nation ist auch Veranstalter der Zwillingsfestivals „Rock am Ring“und „Rock im Park“. Am ersten Juniwochenende läuten diese beiden größten Rockfestivals Deutschlands traditionell die Open-Air-Saison ein. Es werde erhöhte Sicherheitsvorkehrungen geben, bestätigte die Sprecherin weiter. Geschäftsführer Marek Lieberberg sagte, Fans sollten beim Besuch von Konzerten oder Festivals möglichst wenig mitnehmen. Eine frühe Ankunft erleichtere Kontrollen und „intensive Bodychecks“.