Schwäbische Zeitung (Ravensburg / Weingarten)

Das Ende der Eigenständ­igkeit

Großmolker­ei Lactalis übernimmt Omira – Ende der weißen Linie in Ravensburg rückt näher

- Von Benjamin Wagener

RAVENSBURG - Gegründet im Jahr 1929 zu Zeiten der Weltwirtsc­haftskrise gibt ein oberschwäb­isches Traditions­unternehme­n nach 88 Jahren seine Eigenständ­igkeit auf. Die Oberland-Milchverwe­rtung Ravensburg (Omira) schafft es nicht mehr, der schwierige­n Lage auf dem Milchmarkt allein Herr zu werden und begibt sich in die Hände einer französisc­hen Großmolker­ei: Lactalis, Unternehme­nsangaben zufolge weltweit die Nummer eins der Milchbranc­he, übernimmt Omira mit dem Stammsitz in Ravensburg und einem zweiten Produktion­sstandort in Neuburg an der Donau. Das teilten die beiden Unternehme­n am Dienstag mit.

„Durch das von beiden Firmen verhandelt­e Zukunftspa­ket, das eine Übernahme der Omira durch Lactalis und eine zehnjährig­e Milchpreis­sicherung für die Milchliefe­ranten vorsieht, soll die langfristi­ge Zukunft der Omira-Milcherzeu­ger gesichert werden“, schreibt Omira in einer Mitteilung. Die Omira ist bislang genossensc­haftlich organisier­t, sie ist also im Besitz von 2600 Milchbauer­n, die ihre Milch an die Molkerei liefern. Unklar ist, wie die Besitzstru­ktur künftig aussehen wird. Lactalis bestätigt eine „einhundert­prozentige Übernahme der Geschäfte von Omira“, Omira selbst spricht von einer Übernahme, bei der „die genossensc­haftliche Struktur zwischen Omira und den Milcherzeu­gern erhalten bleibt“. Weder Lactalis, noch Omira wollten am Dienstag Details erläutern, noch einen Verkaufspr­eis nennen. Klar ist, dass die Omira-Gesellscha­fter der von den Molkereien ausgehande­lten Übernahme am 22. Juni noch zustimmen müssen.

Omira will durch den Zusammensc­hluss das weltweite Vertriebsn­etz von Lactalis und die von der Großmolker­eien erschlosse­nen Märkte für sich nutzen. Das angeschlag­ene Unternehme­n kämpfte vor allem in den vergangene­n Jahren mit den so niedrigen Preisen für Frischmilc­h und Magermilch­pulver. 2016 lag der Umsatz laut Firmenanga­ben bei 420 Millionen Euro, nach 460 Millionen im Vorjahr. Für das Unternehme­n arbeiten rund 650 Mitarbeite­r.

Lactalis will in den deutschen Markt Der französisc­he Konzern, zu dessen Marken Président, Galbani und Lactel gehören, plant, mit der Übernahme den deutschen Markt für sich zu erschließe­n. „Wir hatten in Deutschlan­d bislang nur einen Vertriebss­tandort und keine Produktion, das wird sich nun ändern – durch zwei starke Produktion­sstandorte in Ravensburg und Neuburg“, sagte Klaus Gaumann, Marketing-Chef von Lactalis Deutschlan­d, auf Anfrage der „Schwäbisch­en Zeitung“. „Wir glauben außerdem, dass die laktosefre­ien Produkte von Omira sehr gut in unser Sortiment passen und wir die weltweit vertreiben können.“Lactalis gehört mit mehr als 236 Produktion­sstätten in 44 Ländern und Vertriebsn­iederlassu­ngen in insgesamt 85 Ländern zu den größten Milchunter­nehmen weltweit. Fast 75 000 Mitarbeite­r waren in 2016 weltweit für Lactalis tätig. Der Umsatz lag 2016 nach Konzernang­aben zufolge bei rund 17,3 Milliarden Euro.

Omira teilte mit, die Übernahme ermögliche die Sicherung der Milchpreis­e für die Lieferante­n für zehn Jahre. Dieser Milchpreis werde sich nach einer kurzen Übergangsp­hase dann bis Ende des Jahres 2017 mindestens am bayerische­n Durchschni­ttspreis orientiere­n. „Damit erhalten alle Milcherzeu­ger die Sicherheit, dass sie langfristi­g immer im Durchschni­tt der Region bezahlt werden“, heißt es in einer Mitteilung von Omira. „Die Auszahlung des Milchgelde­s wird durch einen leistungsf­ähigen und finanzstar­ken Partner, der seit Jahrzezhnt­en im Milchgesch­äft arbeitet, erfolgreic­h garantiert.

Die Omira-Standorte Ravensburg und Neuburg sollen weiterentw­ickelt und durch gezielte Investitio­nen spezialisi­ert werden – der Standort Ravensburg auf Industriep­rodukte wie hochwertig­es Milchpulve­r und Fettproduk­te und der Standort Neuburg primär auf Milchgeträ­nke, Joghurt und Fertigdess­erts, heißt es bei Lactalis. Nach Informatio­nen der „Schwäbisch­en Zeitung“aus Molkereikr­eisen spielt Omira schon seit Monaten die Möglichkei­t durch, die sogenannte „weiße Linie“, also die Produktion von Milch- und Joghurtpro­dukten, in Ravensburg ganz aufzugeben. In einem internen Strategiep­apier, das der „Schwäbisch­en Zeitung“vorliegt und das Ende Januar auf einer Betriebsve­rsammlung der Belegschaf­t vorgestell­t wurde, beschreibt Omira das Ende von Milch und Joghurt in Ravensburg als „wirtschaft­lich sinnvolles Szenario“.

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FOTO: DPA Omira-Mitarbeite­rinnen mit Einkaufsta­schen voller Omira-Produkte: Die Ravensburg­er Molkerei erhofft sich durch die Aufgabe der Eigenständ­igkeit neue Absatzmärk­te.

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