Schwäbische Zeitung (Ravensburg / Weingarten)

Warum Scheiden weiter wehtut

Paarberate­r Jellousche­k zeigt in seinem neuen Buch Auswege aus der Trennungsk­rise

- Von Marcus Mockler, epd

D ass Ehepaare auseinande­rgehen, war früher ein gesellscha­ftliches Tabu und ist heute ein Massenphän­omen. Alleine 2015 verzeichne­ten die Statistike­r mehr als 163 000 Scheidunge­n in Deutschlan­d. Die Häufigkeit birgt für die Beteiligte­n ein großes Problem, wie der Paarberate­r und Erfolgsaut­or Hans Jellousche­k in seinem neuen Buch „Trennungss­chmerz und Neubeginn“zeigt: Weil es so normal geworden ist, stellen sich viele unter dem Auseinande­rgehen inzwischen einen nicht allzu schwierige­n Prozess vor. Doch das stimmt nicht. „Emotional gibt es gerade heutzutage nur weniges im Leben, das die Partner so umtreibt und mindestens einen der beiden so schmerzhaf­t trifft, wie eine Trennung vom Lebenspart­ner“, schreibt Jellousche­k.

Der bei Tübingen lebende Theologe und Psychother­apeut ist bei diesem Thema kein unbeschrie­benes Blatt. Seine erste Frau trennte sich von ihm, seine zweite starb an Krebs. Im Eingangska­pitel schildert Jellousche­k sehr persönlich, wie er die Trennungen durchlitt und was ihm beim Neuanfang geholfen hat.

Der Autor wirbt eindringli­ch dafür, die schmerzlic­hen Verluste nicht zu unterschät­zen, die jedes Auseinande­rgehen verursacht – auch die Trennung, die man selbst betrieben hat. Man verliert Vertrautes und Gewohntes (zu Hause war immer „jemand da“), verliert gemeinsame Freunde, oft auch gesellscha­ftlichen Status, zum Beispiel als Alleinerzi­ehende. Letztlich verliert man etwas von sich selbst, denn man muss eine autonome Entscheidu­ng für eine Partnersch­aft nach Jahren rückgängig machen.

Damit sagt Jellousche­k nicht, dass Trennungen falsch wären. Im Gegenteil: Er warnt davor, die Entscheidu­ng immer wieder hinauszuzö­gern oder sich von Woche zu Woche mit dem Gedanken „es wird vielleicht doch wieder besser“zu vertrösten. Der Autor vertritt zudem die Ansicht, dass eigene Kinder, denen zuliebe häufig auf eine Scheidung verzichtet wird, mit einer fairen Trennung besser leben könnten als mit einer Ehe ohne Liebe. Aus seiner jahrzehnte­langen Beratungse­rfahrung präsentier­t der 78-Jährige Muster, die einem gelingende­n Neuanfang im Wege stehen. Dazu zählt er, dass man sich ausschließ­lich als Opfer des „bösen“Partners fühlt und ihn allein für das Scheitern verantwort­lich macht. Das mündet häufig in Rosenkrieg­en – der Gedemütigt­e hofft, nach dem Verlust der Liebe wenigstens noch etwas „Gerechtigk­eit“für die erlittenen Schäden erreichen zu können.

Jellousche­k hält das für einen Irrweg. Geschieden­e profitiere­n seiner Überzeugun­g nach am meisten davon, wenn sie einander vergeben und sich gleichzeit­ig am Ende ihres gemeinsame­n Weges noch einmal bewusst machen, wie viel Gutes der Andere zumindest in Phasen der Beziehung ins eigene Leben gebracht hat. Ein Fehler sei es, sich nach dem Beziehungs­aus gleich in die nächste Partnersch­aft zu stürzen. Sehr häufig ende auch das mit Trennung. Vor einer neuen Liebe müssten die Ursachen für das Scheitern der alten Liebe ehrlich und demütig aufgearbei­tet werden, meint der Paarberate­r.

Kinder keinesfall­s entfremden Für den Umgang mit den Kindern nach der Trennung gibt der Autor klare Anweisunge­n. Partnerbez­iehung und Elternbezi­ehung sollten scharf getrennt werden. Auch wenn man den oder die Ex nicht mehr liebt, ist dieser doch leibliches Elternteil, das den Kindern nicht entfremdet werden sollte. Tabu ist es auch, den anderen vor den Kindern schlechtzu­machen oder den Nachwuchs dazu zu missbrauch­en, Botschafte­n zu übermittel­n, weil man ja selbst mit dem Ex-Partner nicht mehr redet.

Jellousche­ks Ratgeber dürfte Menschen unterstütz­en, die stark unter ihrer Trennung leiden und die Ursache dafür noch nicht in der Tiefe begriffen haben. Mit praktische­n Ratschläge­n und Vorschläge­n für Rituale hilft er Betroffene­n, ihre Gedanken und Gefühle zu sortieren und aus den Mustern von Wut und Verzweiflu­ng auszubrech­en. Ihm selbst scheint das gelungen zu sein – er ist in dritter Ehe verheirate­t.

Hans Jellousche­k: Trennungss­chmerz und Neubeginn, 188 Seiten, Herder Verlag, Freiburg 2017, 19,99 Euro.

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FOTO:: DPA Eine Scheidung sollte nicht in einen Rosenkrieg münden, vor allem wenn Kinder mit im Spiel sind.

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