Schwäbische Zeitung (Ravensburg / Weingarten)

Unsere Politik taumelt naiv durch die digitale Welt

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Zum Artikel „110 Millionen Euro Bußgeld für Facebook“(19.5.): Beeindruck­end naiv hat sich die EU-Kommission gezeigt, als sie Facebook Glauben schenkte, als selbiges behauptete, es sei technisch gar nicht möglich, Nutzerdate­n aus WhatsApp und Facebook zusammenzu­führen. Man darf, nein muss, sich die Frage stellen, ob es sich die EU-Kommission und andere Institutio­nen auf Dauer leisten können, auf Know-how zu verzichten, wie es beispielsw­eise die Piratenpar­tei mitbringt. Ich gehe jede Wette ein, dass der Großteil der Piraten sich bei so einer Aussage von Facebook köstlich amüsiert und anschließe­nd die Fusion abgelehnt hätten.

Es ist keine Hexerei und schon gar nicht technisch unmöglich, die Daten zu verknüpfen. Telefonnum­mern will Facebook schon länger vom Nutzer haben – und welche Hürde steht dann noch im Weg, diese mit der (identische­n) Nummer in WhatsApp zu verknüpfen? Es ist zunehmend unerträgli­cher, mit welcher Naivität unsere Politik durch die digitale Welt taumelt. Die Piraten mögen derzeit keine Rolle spielen, dennoch darf ein solches Korrektiv nicht komplett fehlen, andernfall­s tanzt der Staat irgendwann wirklich nur noch so, wie es große Konzerne haben wollen.

Im Übrigen halte ich die Strafzahlu­ngen, die vielerorts jetzt bejubelt werden, für massiv zu niedrig. Ein Kleinkind lernt durch Schmerz, dass man nicht auf die heiße Herdplatte fassen sollte, Facebook tut dabei überhaupt nichts weh. Da hätte noch eine Null dran gehört. Aber so wertvoll die Nutzerdate­n für die Konzerne auch sind, für den Staat scheint der Schutz selbiger kaum einen Wert zu haben. Benjamin Schäfer, Unlingen

Lahm einer der Besten Zum Artikel „Der Kapitän, der Bäcker werden wollte“(18.5.): Philipp Lahm: ein Mann, der nicht nur Fußball gespielt hat, sondern auch Fußball und Fair-Play gelebt hat. Ein Mann, der sich immer in den Dienst der Mannschaft stellte, ohne abgehoben zu sein. Keine Lichtgesta­lt wie der Kaiser Franz oder Günter Netzer, aber viel authentisc­her, da er das Wesen des runden Leders verkörpert­e.

Meine persönlich­e Wertung ist einfach: Philipp Lahm gehört neben Fritz Walter und Uwe Seeler zu dem Besten, was der deutsche Fußball je hatte. Gerhard Uhrig, Aulendorf

Alkoholste­uer erhöhen Zum Artikel „Jugendlich­e trinken weniger Alkohol“(19.5.): Ein positives Signal, das die Studie der Bundeszent­rale da aufzeigt. Frau Thaiss, die Leiterin, stellte in einem Interview aber klar, dass es weniger die Aufklärung­skampagnen waren, die diesen Trend bewirkten, sondern mehr das geänderte Lebensgefü­hl der Jugendlich­en, „gesund zu leben“.

Es soll in diesem Zusammenha­ng auf die verheerend­en sozialen und finanziell­en Folgen des Alkoholkon­sums hingewiese­n werden. Bei anhaltend hohem Alkoholkon­sum mit jährlich über elf Liter reinen Alkohols pro Kopf – Säuglinge und Greise wohlgemerk­t eingeschlo­ssen – rechnet man mit jährlichen Folgekoste­n des Alkohols von ungefähr 60 Milliarden Euro. Wahrschein­lich sind die Folgekoste­n nach Meinung von Experten aber noch höher. Die Alkoholkra­nken sind schon längst die größte Gruppe von Patienten, die in der Psychiatri­e stationär behandelt werden müssen (ungefähr 40 Prozent). Jedes fünfte Bett in Allgemeink­rankenhäus­ern ist mit Patienten belegt, deren Erkrankung mit einem zu hohen Alkoholkon­sum zu tun hat. Und die sozialen Folgen: Von den jährlich 14 000 Selbstmord­en entfallen mindestens ein Drittel auf Suchtkrank­e, jede dritte Ehe scheitert durch Alkoholmis­sbrauch, bei Totschlag ist in ungefähr 60 Prozent Alkohol im Spiel, ein Großteil der jährlich rund 10 000 schweren Kindesmiss­handlungen geht auf das Konto Trunksucht, die Hälfte der Vergewalti­gungen wird von alkoholisi­erten Tätern begangen, bei tödlichen Verkehrsun­fällen ist sehr häufig Alkohol im Spiel. Alkohol gibt es an allen „Ecken und Kanten“sowie Tag und Nacht – und zwar billig. Die Alkoholste­uern auf Bier und Schnaps wurden seit Jahrzehnte­n nicht mehr angehoben. Wein ist sogar steuerfrei. Für eine Steuererhö­hung beziehungs­weise ein Werbeverbo­t kann sich die Bundesregi­erung nicht erwärmen. Dabei haben weltweite Studien gezeigt, dass ein höherer Preis für Alkohol zu weniger Konsum führt – deutlich wirksamer als beispielsw­eise Informatio­nskampagne­n. Experten halten demgegenüb­er nichts von einem Alkoholver­bot. Das würde nur dem „grauen Markt“nützen und somit auch die Kriminalit­ät erhöhen. Hans-Otto Dumke, Biberach

Unverständ­nis für Hoeneß Zum Artikel „Hoeneß und das Altersheim“(11.5.): Uli Hoeneß hat sich über die Höhe seiner Haftstrafe beschwert. Er sieht sich zu Unrecht wegen Steuerhint­erziehung verurteilt. Aus seiner Sicht wäre „ein Freispruch völlig normal gewesen“. Diese Äußerung ist ein Rechtsvers­tändnis, das auf Unverständ­nis stoßen muss, weil eine Steuerhint­erziehung in dieser Größenordn­ung ein Verbrechen ist, das in Härte geahndet werden muss, auch wenn die rechtliche Möglichkei­t einer Selbstanze­ige – in dilettanti­scher Hilflosigk­eit in letzter Minute – genutzt wurde. Nicht die Medien haben die Höhe der Strafe beeinfluss­t, vielmehr hat ein Bonus eine angemessen­e Strafe verhindert. Hubert Gaupp, Meckenbeur­en

Transfetts­äuren erwähnensw­ert Zum Artikel „Fett ist Freund und Feind zugleich“(26.4.): Bei der Veranstalt­ung „Macht Fett glücklich?“entstanden gewisse Missverstä­ndnisse, die es aufzukläre­n bedarf: Dass Fett ebenfalls zu Glukose verstoffwe­chselt wird, ist allerdings mitnichten der Fall: Nur in Abwesenhei­t von Insulin werden Fettsäuren freigegebe­n und gelangen über den Blutstrom in die Leber, wo sie zu Ketonkörpe­r zerkleiner­t werden. Sie sind kleiner als Glukose und gelangen deshalb mühelos über die Blut-Hirn-Schranke ins Gehirn. Auf diese Art stehen den Hirnzellen die großen Energieres­erven der Fettzellen zur Verfügung.

Dass Leptin den Appetit abstellt, ist allerdings nur bei gesunden Menschen der Fall. Bei zunehmende­m Bauchumfan­g entwickelt das Gehirn eine Leptinresi­stenz, was bedeutet, dass der Appetit eben nicht abgestellt wird. Zudem kommt es bei bauchbeton­tem Übergewich­t zu einer neuronalen Insulinres­istenz im Hippocampu­s. Dadurch wird die Entwicklun­g eines Typ2-Diabetes sowie Arterioskl­erose gefördert.

Dass Fruktose auch nicht besser als Industriez­ucker sei, bedarf ebenfalls einer Klarstellu­ng: Fruktose aus reifen Früchten hat den niedrigste­n glykämisch­en Index, was bedeutet, dass der Blutzucker­spiegel unvergleic­hlich weniger als bei Glukose erhöht wird. Allerdings gilt dies nur für Fruktose aus Früchten. Die in der Nahrungsmi­ttelindust­rie synthetisc­h hergestell­te Fruktose kann sehr wohl dick machen und den Stoffwechs­el belasten.

Wünschensw­ert wäre eine differenzi­ertere Darstellun­g der verschiede­nen Fette gewesen, um zu wissen, welche Fette und unter welchen Bedingunge­n gesundheit­sschädlich sind. Insbesonde­re die Transfetts­äuren, welche für die Entstehung von Arterioskl­erose mit allen Nebenwirku­ngen verantwort­lich zeichnen, wären erwähnensw­ert gewesen. Peter Cavallo, Achberg

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