Schwäbische Zeitung (Ravensburg / Weingarten)
Supertalent und Virtuosität im Doppelpack
Grace Kelly und Cameron Carpenter gastieren im Ravensburger Konzerthaus
RAVENSBURG - Ein Konzert der Extraklasse vor total ausverkauftem Konzerthaus mit der Saxofonistin und Sängerin Grace Kelly, Drummer Ross Pederson und Cameron Carpenter an seiner Touring Organ. Darin war sich das zum Teil deutlich jüngere Publikum mehr als einig. Ein Abend ohne festgelegtes Programm, mit Jazzstandards, Improvisation, Cole Porter, George Gershwin und J. S. Bach: Musik für alle Generationen.
Heißt sie wirklich so, die zierliche 35-jährige Amerikanerin, die als Tochter koreanischer Eltern bereits mit sieben Jahren erste Kompositionen erdachte? Ja, den Vornamen gaben ihr die Eltern, den Nachnamen übernahm sie von ihrem späteren Stiefvater. In einem transparenten Netzkleid, die Füße in knallroten Stiefelchen, mit Silberreif am Oberarm, die langen Haare grün und gelb gesträhnt, hat sie viel von einem fröhlich strahlenden Girlie, dazu eine bezaubernde Offenheit.
Noch bevor sie - ganz allein auf der Bühne - auf ihrem kupferroten Altsaxofon ein Solo improvisiert über Thelonious Monks „Round Midnight“hat sie schon durch ihre Ausstrahlung gewonnen - und vom ersten Ton an durch wunderbare Begabung zur Modulation überzeugt. Das erlebt man doch eher selten, eine solch suggestive Kraft im Spiel, aber auch in der biegsamen Jazzstimme, wie Grace Kelly bald im ersten Teil des Konzerts zeigt. Außerdem ist sie als charmante Moderatorin ein Naturtalent. Zu ihr gesellt sich ihr „favourite drummer“Ross Pederson, der zu ihrer Band gehört, die beim Bodenseefestival bereits aufgetreten ist. Bei Monks „Green chimneys“nähert sich die Perkussion dem Tenorsaxofon an, und bei Sidney Bechets „Petite fleur“unterlegt sie Kellys Sax ein fast militärisches Getrommel. Wuchtige Schläge begleiten „By the Grave“, ein tiefdunkles Stück.
Auftritt Cameron Carpenter: Was wird er spielen? Ganz leise und auf lockenden Umwegen paraphrasiert er zuerst über Gershwins „Summertime“, bricht unvermittelt in vollen Sound aus - und geht dann zu Bach über. „All you need is Bach“heißt eine seiner CDs - es ist Carpenters Wahlspruch. Es folgen drei Stücke, eine erste Fuge, dann die Große Fuge in g-moll und die Triosonate in dmoll. Das Publikum lauscht aufmerksam - aber ob es vorbereitet war auf so viel Bach? Und dann kommt, nach nur kurzer Ansage, denn Carpenter ist wahrlich kein Moderator, ein Stück von Louis Vierne, dem berühmten Organisten von Notre Dame in Paris, ein gewaltiger Rumor auf diesem elektronischen Instrument, der jedoch im Kopf die Kathedralatmosphäre mitdenken lässt.
Damit ist man in die Pause entlassen und gespannt auf Teil zwei des Abends. Und erlebt nun alle drei auf der Bühne mit einer klugen Auswahl von Songs von Cole Porter und George Gershwin. „Night and Day“mit dem führenden Saxofon, unterlegt von einem dezenten Echoschleier der Orgel und leiser Perkussion, „Our love was here to stay“mit verhaltenem Orgelbackground. Dann singt und spielt Grace Kelly Henry Mancinis „Moon River“, mal gehaucht, mal mit Kopfstimme, ein atemloser Moment. „I got Rhythm“macht den Abschluss, aber damit dürfen sie noch nicht gehen. Zusammen noch die bejubelte Zugabe „Somewhere over the Rainbow“. Und dann bleibt Kelly allein auf der Bühne, erzählt noch ein wenig aus ihrer Zeit als Kind und schenkt dem hingerissenen Publikum eine hinreißende Soloimprovisation über „What a wonderful world“. Und Satchmo lächelte vergnügt von oben.