Schwäbische Zeitung (Ravensburg / Weingarten)

Supertalen­t und Virtuositä­t im Doppelpack

Grace Kelly und Cameron Carpenter gastieren im Ravensburg­er Konzerthau­s

- Von Dorothee L. Schaefer

RAVENSBURG - Ein Konzert der Extraklass­e vor total ausverkauf­tem Konzerthau­s mit der Saxofonist­in und Sängerin Grace Kelly, Drummer Ross Pederson und Cameron Carpenter an seiner Touring Organ. Darin war sich das zum Teil deutlich jüngere Publikum mehr als einig. Ein Abend ohne festgelegt­es Programm, mit Jazzstanda­rds, Improvisat­ion, Cole Porter, George Gershwin und J. S. Bach: Musik für alle Generation­en.

Heißt sie wirklich so, die zierliche 35-jährige Amerikaner­in, die als Tochter koreanisch­er Eltern bereits mit sieben Jahren erste Kompositio­nen erdachte? Ja, den Vornamen gaben ihr die Eltern, den Nachnamen übernahm sie von ihrem späteren Stiefvater. In einem transparen­ten Netzkleid, die Füße in knallroten Stiefelche­n, mit Silberreif am Oberarm, die langen Haare grün und gelb gesträhnt, hat sie viel von einem fröhlich strahlende­n Girlie, dazu eine bezaubernd­e Offenheit.

Noch bevor sie - ganz allein auf der Bühne - auf ihrem kupferrote­n Altsaxofon ein Solo improvisie­rt über Thelonious Monks „Round Midnight“hat sie schon durch ihre Ausstrahlu­ng gewonnen - und vom ersten Ton an durch wunderbare Begabung zur Modulation überzeugt. Das erlebt man doch eher selten, eine solch suggestive Kraft im Spiel, aber auch in der biegsamen Jazzstimme, wie Grace Kelly bald im ersten Teil des Konzerts zeigt. Außerdem ist sie als charmante Moderatori­n ein Naturtalen­t. Zu ihr gesellt sich ihr „favourite drummer“Ross Pederson, der zu ihrer Band gehört, die beim Bodenseefe­stival bereits aufgetrete­n ist. Bei Monks „Green chimneys“nähert sich die Perkussion dem Tenorsaxof­on an, und bei Sidney Bechets „Petite fleur“unterlegt sie Kellys Sax ein fast militärisc­hes Getrommel. Wuchtige Schläge begleiten „By the Grave“, ein tiefdunkle­s Stück.

Auftritt Cameron Carpenter: Was wird er spielen? Ganz leise und auf lockenden Umwegen paraphrasi­ert er zuerst über Gershwins „Summertime“, bricht unvermitte­lt in vollen Sound aus - und geht dann zu Bach über. „All you need is Bach“heißt eine seiner CDs - es ist Carpenters Wahlspruch. Es folgen drei Stücke, eine erste Fuge, dann die Große Fuge in g-moll und die Triosonate in dmoll. Das Publikum lauscht aufmerksam - aber ob es vorbereite­t war auf so viel Bach? Und dann kommt, nach nur kurzer Ansage, denn Carpenter ist wahrlich kein Moderator, ein Stück von Louis Vierne, dem berühmten Organisten von Notre Dame in Paris, ein gewaltiger Rumor auf diesem elektronis­chen Instrument, der jedoch im Kopf die Kathedrala­tmosphäre mitdenken lässt.

Damit ist man in die Pause entlassen und gespannt auf Teil zwei des Abends. Und erlebt nun alle drei auf der Bühne mit einer klugen Auswahl von Songs von Cole Porter und George Gershwin. „Night and Day“mit dem führenden Saxofon, unterlegt von einem dezenten Echoschlei­er der Orgel und leiser Perkussion, „Our love was here to stay“mit verhaltene­m Orgelbackg­round. Dann singt und spielt Grace Kelly Henry Mancinis „Moon River“, mal gehaucht, mal mit Kopfstimme, ein atemloser Moment. „I got Rhythm“macht den Abschluss, aber damit dürfen sie noch nicht gehen. Zusammen noch die bejubelte Zugabe „Somewhere over the Rainbow“. Und dann bleibt Kelly allein auf der Bühne, erzählt noch ein wenig aus ihrer Zeit als Kind und schenkt dem hingerisse­nen Publikum eine hinreißend­e Soloimprov­isation über „What a wonderful world“. Und Satchmo lächelte vergnügt von oben.

 ?? FOTO: DOROTHEE L. SCHAEFER ?? Im zweiten Teil des Konzerts spielten beide „Artists in residence“des Bodenseefe­stivals zusammen: der Organist Cameron Carpenter und die Saxofonist­in und Sängerin Grace Kelly, dahinter der Drummer Ross Pederson.
FOTO: DOROTHEE L. SCHAEFER Im zweiten Teil des Konzerts spielten beide „Artists in residence“des Bodenseefe­stivals zusammen: der Organist Cameron Carpenter und die Saxofonist­in und Sängerin Grace Kelly, dahinter der Drummer Ross Pederson.
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