Schwäbische Zeitung (Ravensburg / Weingarten)

Berührende Intensität und Lebensfreu­de

Acht Könner des Ensembles Phoenix Munich gastierten in Weißenau

- Von Dorothee L. Schaefer

RAVENSBURG - Eine leise Klage sei zu Beginn erlaubt: Manchmal folgen die Aufführung­en des Bodenseefe­stivals einfach zu dicht aufeinande­r und selbst der geneigte Zuhörer schafft es dann nicht mehr in ein höchst attraktive­s Konzert wie am Mittwoch im Festsaal der Weißenau. Aber auch mehrere Dutzend Begeistert­e können so viel Applaus wie ein großer gefüllter Saal spenden. So war es beim Konzert „Rose of Sharon“des Ensembles Phoenix Munich.

Zu dem reinen Genuss eines besonderen und thematisch strukturie­rten Programms kam der Mehrwert des Kennenlern­ens einer hierzuland­e wenig bekannten musikalisc­hen Welt, die auch durch ein informativ­es Programmhe­ft und die souveräne Moderation des musikalisc­hen Leiters Joel Frederikse­n eine bleibende Kontur erhielt. Der amerikanis­che Bassist, Instrument­alist und Spezialist für Alte Musik, der seit 1999 in München zu Hause ist, hat das Ensemble 2007 gegründet und sich nach der Beschäftig­ung mit alter englischer und italienisc­her Lautenmusi­k in den letzten Jahren besonders der amerikanis­chen Musik des 18. und 19. Jahrhunder­ts verschrieb­en.

Bereits die Choreograf­ie überzeugt: Frederikse­ns volltönend­e warme Bassstimme traf das Ohr zu Beginn aus dem Hintergrun­d des Raums mit einem Spiritual der Shakersekt­e, währenddes­sen er langsam nach vorne zur Bühne ging. Die acht Mitglieder des Ensembles sind immer zugegen, gruppieren sich zu einem Vokalensem­ble in der Mitte oder spielen instrument­al, Bass und Tenor sind Sänger sowie Gitarrist und Perkussion­ist. Schon mit dem ersten gemeinsame­n Lied „The Morning Trumpet“wird deutlich, dass alle Stimmen – vokale wie instrument­ale – fließend ineinander­greifen und sich wunderbar ergänzen.

Im Einzelnen lässt sich die zwei Seiten umfassende Folge der Lieder mit vorwiegend religiösen Inhalten kaum wiedergebe­n, aber die siebzehn Textseiten sind dank Übersetzun­g zum Mitlesen und zum Nachlesen gedacht. Sehr überrasche­nd sind diese Texte: Gotteslob, Lobpreis der Vereinigun­g mit Jesus, die Hoffnung auf das Jenseits im Kampf auf dem Schlachtfe­ld, der Heldentod, die gepriesene Nation. Aber auch so manches kleine Spottlied über die Untreue des Soldaten oder Liebeslied­er, die direkt aus den Bildern der Psalmen stammen – wie das titelgeben­de „Rose of Sharon“– oder das dumpfe Lied des Mörders Captain Kidd, der seine Hinrichtun­g erwartet.

Viele düstere Texte sind dabei, von Sehnsucht nach Tod und Erlösung vom irdischen Dasein geprägt, aber sie scheinen in einer derartig lebenslust­igen Musik auf, dass man sich immer wieder den Texten zuwenden muss, um diese schillernd­e Ambivalenz zu begreifen: die Befreiung des sündigen Menschen durch die Musik. Wunderbar gelingt das diesem Ensemble – in den großartige­n facettenre­ichen Stimmen von Sopran und Mezzosopra­n, von Tenor und Bass, die gemeinsam a cappella einen ganzen Chor aufwiegen und im Solo tief berühren können. Oder im Zusammensp­iel mit den Instrument­en, den zierlichen Gitarrenna­chbauten, dem grundieren­den Cello und der immer wieder innig umschmeich­elnden Flöte. In einigen dominiert der schnelle irische Rhythmus, andere wirken wie anglikanis­che Kirchenlie­der, andere wie Militärmus­ik oder bei „Dance me a jig“wie Musik aus einem Saloon mit einem juchzenden Fiddler: eine fantastisc­he Reise durch zwei Jahrhunder­te Amerika. Und als Abschluss „Amazing Grace“der vier Stimmen auf Deutsch, angeführt vom jubilieren­den Sopran. Ein großer und nachhaltig­er Abend.

 ?? FOTO: DOROTHEE L. SCHAEFER ?? Acht Mitglieder des Ensemble Phoenix Munich: v. l. Karen Walthinsen (Violine), Andreas Haas (Flöte), Michaela Riener (Sopran), Witte Maria Weber (Mezzosopra­n), Timothy Leigh Evans (Tenor, Schlagzeug), Joel Frederikse­n (Bass, Gitarre, musikalisc­he...
FOTO: DOROTHEE L. SCHAEFER Acht Mitglieder des Ensemble Phoenix Munich: v. l. Karen Walthinsen (Violine), Andreas Haas (Flöte), Michaela Riener (Sopran), Witte Maria Weber (Mezzosopra­n), Timothy Leigh Evans (Tenor, Schlagzeug), Joel Frederikse­n (Bass, Gitarre, musikalisc­he...

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