Schwäbische Zeitung (Ravensburg / Weingarten)
Kein Wölkchen trübt Freude am Blutritt
Reiter, Musikanten und Zuschauer am Straßenrand genießen ein glanzvolles religiöses Hochfest
WEINGARTEN - Wettersorgen brauchte sich in diesem Jahr niemand zu machen, der hoch zu Ross oder als Pilger zu Fuß zum gestrigen Blutritt nach Weingarten gekommen war. Dennoch war sicht- und spürbar, dass die Gefahr eines terroristischen Anschlags auch bei einem solchen durch und durch friedlichen Hochfest drohen könnte.
Es ist ein vertrautes Bild, das Weingarten am Blutfreitag am frühen Morgen bietet: Die Blutreitergruppen reiten in Zweier- oder Dreierreihen den ihnen zugewiesenen Aufstellungsplätzen zu. Musikantinnen und Musikanten eilen mit ihren Instrumenten in der Hand zum Martinsberg. Auf dem Basilika-Vorplatz hat sich bereits eine Traube von Zuschauern gebildet, die einen möglichst guten Blick auf das Kirchenportal ergattern wollen. Feuerwehrleute haben mit Absperrseilen eine Gasse frei gehalten für den HeiligBlut-Reiter, Dekan Ekkehard Schmid.
Da hebt das Glockengeläut an. Die große Heilig-Blut-Fahne wird auf den Vorplatz getragen. Der hochgewachsene Schimmel erscheint, der den Priester mit seinem roten liturgischen Mantel trägt. Der Freiburger Erzbischof Stephan Burger, ebenfalls in rotem Ornat gekleidet, überreicht ihm das kreuzförmige Reliquiar.
Während das Städtische Orchester den Dekan zum äußeren Klosterhof begleitet, setzt sich in der Abteistraße die Reiterprozession in Bewegung. Kapelle für Kapelle intoniert unzählige Male den Blutfreitagsmarsch auf dem Prozessionsweg durch die Stadt. Die Ehrengäste auf dem Balkon winken. Die Reiter grüßen hinauf. Ihre grauen Regenmäntel haben sie diesmal zu Hause gelassen. So können die Fahnen und Standarten, die Schärpen und Geschirre ihre ganze Farbenpracht entfalten.
Es ist Jahr für Jahr das gleiche Bild. Die einzigartige Atmosphäre dieses Tags zieht auch Skeptiker in ihren Bann. Doch immer wieder gehen die Gedanken vieler Zuschauer zu den Menschen in Manchester, die ein unfasslich grausamer Bombenanschlag in Entsetzen und Trauer gerissen hat.
Ein vielfach präsenter Sicherheitsdienst wurde an zahlreichen Stellen der Stadt postiert. Höflich und dezent wachen sie an den Zugängen zu den Plätzen über die Besucher, die kleine Schleusen passieren müssen. Polizeibeamte in Zivil mischen sich unauffällig unters Volk. Jeder zeigt Verständnis für diese Maßnahmen. Doch niemand gesteht sich gerne ein, dass auch im gesegneten Oberschwaben und an einem solchen Tag wie dem Blutrfeitag in Weingarten die Welt nicht zwangsläufig heil ist.