Schwäbische Zeitung (Ravensburg / Weingarten)
Nehmt die Fans endlich ernst!
Ja, Helene Fischer ist am Samstag von Fußballfans so ausgepfiffen worden, wie sie ziemlich sicher noch nie ausgepfiffen worden ist. Nein, das hatte nichts mit Helene Fischer zu tun. Nichts mit ihrer Person. Nichts mit ihrer Musik. Dies sei – ehe ihre Rachegelüste womöglich überhand nehmen – allen „Helene Fischer Hooligans“, „Helene Fischer Ultras“(solche Gruppen gibt es wirklich!) und sonstigen Anhängern von Deutschlands liebster Volksbardin gesagt. Viele, die da am Samstag im Olympiastadion während ihres offensichtlichen Promo-Auftritts für ihre neue Stadiontour in der Halbzeitpause dieses rassigen und leidenschaftlichen DFB-Pokal-Finalspiels gepfiffen haben, dürften bei Helenes Hits sonst gern mal mitsingen. Einige könnten vielleicht sogar passable „Helene Fischer Ultras“abgeben, wenn ihr Fan-Herz nicht schon dem Fußball versprochen wäre.
Fußball war der Grund für die Pfiffe. Besser: das, was Funktionäre (nicht nur beim DFB) und Geschäftemacher als Fußball verkaufen. Helene Fischer, nicht sie als Person, nicht ihre Musik, sondern das System Helene Fischer stand am Samstag eben für all das, was vielen Fans – und eben nicht mehr nur Ultras – sauer aufstößt.
Die Pfiffe galten der Überkommerzialisierung und Eventisierung des Fußballs, der Förderung von künstlicher Stimmung in den Stadien. Die Pfiffe galten einem DFB, der sich einen „Fanclub Nationalmannschaft powered by Coca Cola“leistet und dem als einzige Reaktion auf sinkende Zuschauerzahlen bei Länderspielen einfällt, in kleinere Stadien zu ziehen. Die Pfiffe galten den Funktionären, die wegen der Bedürfnisse der Pay-TV-Sender die Spieltage zulasten von Amateuren und arbeitenden Fans immer weiter auffächern – künftig werden auch montags Erstligaspiele stattfinden. Die Pfiffe galten dem Ausrüster Adidas, dessen Boss davon träumt, das DFB-Pokalfinale künftig in Shanghai auszutragen, weil es da mehr zu verdienen gibt. Doch Fußballfans sind keine Idioten, die alles mit sich machen lassen. Also pfeifen sie.
Richtig so.
f.cataldo@schwaebische.de