Schwäbische Zeitung (Ravensburg / Weingarten)

Hübschle: Damit Kirche konkret für die Menschen da ist

Stiftung „Solidaritä­t vor Ort“finanziert 450-Euro-Stelle in Dreifaltig­keitsgemei­nde

- Von Ruth Auchter

RAVENSBURG - „Das ist eine niederschw­ellige Art von Kirche – einer offenen Kirche, die konkret für die Menschen da ist“, sagt Pfarrer Reinhold Hübschle. Und meint damit die 450-Euro-Stelle im katholisch­en Pfarramt Dreifaltig­keit in der Ravensburg­er Weststadt, die seit Januar existiert. Finanziert wird dieses Angebot von der an die Bürgerstif­tung des Kreises Ravensburg angekoppel­te Stiftung „Solidaritä­t vor Ort“.

Mit der Stelle reagiert die Stiftung auf einen Bedarf, den es bereits gab: Denn immer wieder kommen Leute ins Pfarramt, die allenfalls zum kleinen Teil ein Anliegen haben, etwa eine Messe bestellen wollen. Sie bleiben aber oft viel länger. Weil sie reden wollen. Reden müssen. Weil sie alleine sind, etwas auf dem Herzen haben, Gesellscha­ft brauchen. Ein Problem für die drei Pfarramtss­ekretärinn­en in Dreifaltig­keit – nicht, weil sie keine Lust hätten, mit den Menschen zu sprechen. Sie haben dafür schlicht eigentlich keine Zeit – die Personalvo­rgaben der Diözese seien laut Hübschle ziemlich eng bemessen, und wenn die Damen mit ihrer Arbeitszei­t hinkommen wollen, müssen sie sich ran halten.

Gabriele Spöttle hat – vor allem älteren – Leuten, die im Pfarramt für einen längeren Plausch hängen bleiben, trotzdem zugehört. Hat ihnen einen Kaffee hingestell­t. Sich Zeit für sie genommen, die sie eigentlich gar nicht hatte. Ihre Büroarbeit oft abends nach Feierabend erledigt. Weil das „so nicht geht“, schlug Hübschle der im September 2016 gegründete­n Stiftung vor, Gabriele Spöttles reguläre Stelle um einen 450-EuroJob – mithin um sechs Wochenstun­den – auszuweite­n. Für entspannte­re „seelsorger­ische Begleitung im Pfarramt“, wie er sagt.

Die Sache mit der Anlaufstel­le funktionie­rt. Nun kann Spöttle in aller Ruhe mit all den Menschen reden, die sich über die letzte Predigt des Pfarrers, über gesundheit­liche Probleme, übers Rosenzücht­en oder sonst etwas mit ihr unterhalte­n wollen. „Und ich als Arbeitgebe­r habe kein schlechtes Gewissen mehr“, freut sich Hübschle. Sollte sich Gabriele Spöttle mal überforder­t fühlen vom Anliegen eines Ratsuchend­en, kann sie Reinhold Hübschle oder Pastoralre­ferentin Angelika Böhm zu Rate ziehen. In den meisten Fällen finde sie freilich die absolut „richtigen Worte“für die Menschen und mache ihren neuen „Job“überdies gern und gut, lobt Pfarrer Hübschle.

Aktionsrad­ius ausweiten Er schätzt das Projekt auch deshalb, weil sich die Kirche dabei „den Menschen zuwendet, anstatt nur Überfliege­r zu sein, im Hintergrun­d fromme Sätze zu sagen und nichts zu tun“. Noch sei die Stiftung „Solidaritä­t vor Ort“ein „kleines Pflänzchen“, das sich in den Kinderschu­hen befinde. Allerdings will man mehr Spenden sammeln, um den Aktionsrad­ius auszuweite­n, stellt Hübschle in Aussicht. Um damit möglichst viele Ideen umsetzen zu können.

Unter anderem will man auch die weitgehend von Ehrenamtli­chen getragene Nachbarsch­aftshilfe unterstütz­en. Damit deren engagierte Leiterinne­n mal durchschna­ufen können, sollen sie Handys bekommen. Denn die Mobiltelef­one kann man – im Gegensatz zum privaten Anschluss – eine Weile einer Stellvertr­eterin übergeben. „Auf diese Weise soll die Belastung der Frauen, die sich extrem reinhängen, etwas abgefedert werden“, erläutert Hübschle. Als jemand eine anstehende Wurzelbeha­ndelung nicht bezahlen konnte, ist die junge Stiftung ebenfalls schon einmal in die Bresche gesprungen.

 ?? FOTO: AUCHTER ?? Pfarrer Reinhold Hübschle
FOTO: AUCHTER Pfarrer Reinhold Hübschle

Newspapers in German

Newspapers from Germany