Schwäbische Zeitung (Ravensburg / Weingarten)
Vom Bürgerkrieg zum Blutritt und zurück
Andreij Duda, Militärseelsorger aus der Ukraine, hat am Blutfreitag in Weingarten teilgenommen – und war schwer beeindruckt
WEINGARTEN - Zu den ausländischen Gästen beim diesjährigen Blutfreitag hat auch ein orthodoxer Priester aus der ukrainischen Stadt Lemberg gehört: Andreij Duda. In seiner dortigen Gemeinde verbringt er nur die Hälfte seines Wirkens. Die restliche Zeit arbeitet er als Militärseelsorger im Bürgerkriegsgebiet im Osten des Landes. Über private Kontakte war er zusammen mit einem Theologiestudenten zum Blutritt nach Weingarten gekommen und ist überwältigt von dem, was er dabei erlebt hat. Wilhelm Kibele, Mitglied der Blutreitergruppe Waldburg, unternimmt seit Jahren private Reisen nach Kiew und Lemberg und war dabei über mehrere Umwege mit dem Pfarrer in Kontakt gekommen. Eigentlich hatte Kibele dort seine Fühler ausgestreckt nach einer Ordensgemeinschaft, die Willens und in der Lage wäre, das Weingartener Kloster neu zu beleben.Doch diese Bemühungen blieben bislang ohne Erfolg. Stattdessen lernte er Pfarrer Duda kennen und lud ihn kurzerhand zum Blutritt ein. Über ein Spendenkonto, das die Pfarrei Waldburg eingerichtet hat, wurden die Reisekosten für die beiden Gäste finanziert.
Kibele spricht ein wenig russisch, konnte sich aber während des Blutritts nicht um die Besucher aus der Ukraine kümmern. Daher engagierte er für diesen Tag den Dolmetscher
Blutritt in Weingarten
Alexander Flemmer, einen Russlanddeutschen aus Grünkraut. Pfarrer und Dolmetscher bekamen sogar Plätze auf der Ehrentribüne vor dem Rathaus.
Nachdem der Heilig-Blut-Reiter diesen Platz passiert hatte, ergab sich die Gelegenheit zu einem Gespräch mit der SZ. „Ich bin überwältigt von diesem Erlebnis. Davon werde ich meinen Landsleuten berichten. Ich bin mir sicher, das gibt auch den Menschen dort neue Kraft, die seit Jahren unter diesem fürchterlichen Krieg in der Ostukraine leiden müssen“, sagt Andreij Duda.
Segen der Reliquie gespürt Den Segen, der vom Blut Christi ausgehe, habe er in diesen Tagen unmittelbar zu spüren bekommen, betont er. Als Militärseelsorger im Kriegsgebiet sei er unmittelbarer Zeuge unvorstellbarer Gewalt: „Ich habe es mit traumatisierten Kindern und Frauen zu tun, die ihre Väter und Männer im Krieg verloren haben, ihre zerstörten Häuser und Wohnungen verlassen mussten und zwischen Trümmern und Ruinen hausen. Da kommt mir das alles hier wie ein Paradies vor.“ Der orthodoxe Pfarrer Andreij Duda aus der Ukraine über seinen ersten Blutfreitag.
Besuch beim Russenhölzle Sein Gastgeber hat dem Pfarrer und seinem Begleiter viele Einblicke hinter die Kulissen des Blutritts ermöglicht, sie an seinen Vorbereitungen teilhaben lassen. Noch vor Sonnenaufgang hat er sie am Freitag mitgenommen, als er sein Pferd zum Quartier brachte. „Wir haben mit ihm den Gottesdienst für die Blutreiter besucht. Er ist mit uns den Prozessionsweg abgegangen und hat uns die Abläufe erklärt“, berichtet Pfarrer Duda. Zum Besuchsprogramm gehörte aber auch ein Abstecher zum Russenhölzle, auf dem Soldaten aus den napoleonischen Kriegen bestattet sind.
Beten für den Frieden Damit findet sich für die beiden Ukrainer ein weiterer Anknüpfungspunkt an die Gegenwart in ihrem von Krisen und Bürgerkrieg geschüttelten Land: „Ich bete inständig dafür, dass dort bald Friede einkehrt und wir bald so friedlich zusammenleben können, wie die Menschen in Deutschland“, sagt der Militärseelsorger und zeigt Fotos, die er auf seinem Smartphone gespeichert hat. In wenigen Tagen bricht er erneut ins Kriegsgebiet auf und wird dort seine Fotos herumreichen, die er bei seiner Reise nach Oberschwaben aufgenommen hat.
„Ich bin überwältigt von diesem Erlebnis. Davon werde ich meinen Landsleuten berichten.“
Die gesamte Berichterstattung rund um den diesjährigen Blutritt mit Fotos, Videos und den Live-Blog können Sie online nachlesen unter: www.schwaebische.de/blutritt2017