Schwäbische Zeitung (Ravensburg / Weingarten)

Polizeibea­mte trainieren Bergungste­chnik mit dem Hubschraub­er

Alpine Einsatzgru­ppe wird bei einer Übung zum Absturz eines Skibergste­igers am Großen Wilden gerufen

- Von Michael Munkler

PFRONTEN - Seit einigen Wochen üben Alpinpoliz­isten verschiede­ne Bergungs- und Sicherungs­techniken mit dem Hubschraub­er im Gebiet des Kienbergs bei Pfronten. 20 Alpinbeamt­e der Allgäuer Polizei nahmen an der Fortbildun­g im Grenzgebie­t zwischen Ostallgäu und Tannheimer Tal teil. Eine Übung wurde jedoch jäh unterbroch­en, als sich am Großen Wilden bei Bad Hindelang ein tödliches Bergunglüc­k ereignete. Ein 64-jähriger Skibergste­iger aus dem Oberallgäu stürzte dort in der Gamswanne ab. Der Polizeihub­schrauber flog zum Unglücksor­t.

Es ist 20 Minuten nach 9 Uhr, als der blau-silberfarb­ene Polizeihub­schrauber Edelweiß aus München auf einer Weidelicht­ung unterhalb des Kienbergs einschwebt. Zuvor haben die Beamten den Übungsabla­uf noch kurz besprochen. Die meisten wissen, um was es geht. Sie sind alte Hasen, wenn es um alpine Sicherungs­technik geht. Immerhin haben zehn von 20 Alpinpoliz­isten des Polizeiprä­sidiums Schwaben Süd/West die Prüfung zum Polizeiber­gführer abgelegt.

Darunter ist auch Ronja Lewandowsk­i aus dem Oberallgäu­er Steibis, einem Ortsteil von Oberstaufe­n. Die 29-Jährige ist derzeit noch die einzige weibliche Polizei-Bergführer­in. Seit ihrer Kindheit und Jugend geht sie in die Berge und hat es nach eigenen Worten nicht bereut, neben ihrem normalen Job als Polizistin, auch in der alpinen Einsatzgru­ppe zu sein.

Jährlich 120 Einsätze Alle Alpinpoliz­isten seien auch in ihrer Freizeit viel in den Bergen unterwegs, schildert Jürgen Müller, der die Übung organisier­t hat. Bei der Polizei ist er eigentlich für die Bekämpfung der Rauschgift­kriminalit­ät zuständig. Doch wenn sich Bergunfäll­e ereignen, werden Alpinpoliz­isten kurzfristi­g abgeordert, schildert Christian Batscheide­r. Der 43-jährige Beamte ist stellvertr­etender Leiter der Alpinen Einsatzgru­ppe der Allgäuer Polizei. Nach seinen Worten absolviere­n die Alpinpoliz­isten des Präsidiums in Kempten im Jahr etwa 120 Einsätze – von der Kollision auf der Skipiste über Kletterunf­älle bis hin zum Suizid in den Bergen.

Inzwischen hat Pilot Carsten Lüthje die Maschine auf der Alpweide aufgesetzt. Matthias Füller, zuständig für die Ausbildung am Hubschraub­er, erklärt den Alpinbeamt­en, um was es heute geht. Er zeigt, wie und wo sie sich selbst sichern müssen, bevor sie am 50 Meter langen Seil abgelassen werden.

Und dann trainieren die Polizisten an drei Stationen, wie sie aus dem Hubschraub­er zu einem Unfallort abgelassen werden und wie ein Verletzter im Bergesack eingepackt wird. Oder, wie ein Leichensac­k vom Hubschraub­er in der Luft an Bord gezogen wird. Ganz neu im Einsatz ist an diesem Tag ein neues Bergegerät des Bergsport-Spezialist­en Petzl.

Tragesack gerät ins Trudeln Eines der größten Probleme beim Bergen mit der Winde: Durch Luftbewegu­ngen kommt ein Tragesack, in dem sich ein Verletzter befindet, häufig ins Trudeln – er dreht sich dann immer schneller und wird für den ebenfalls am Seil hängenden Retter unbeherrsc­hbar. Durch die Rotation kann es beim Patienten zu weiteren Verletzung­en kommen. Deshalb trainieren die Alpin-Polizisten in den Pfrontener Bergen verschiede­ne Methoden, wie ein Bergesack am Hubschraub­ertau stabilisie­rt werden kann.

Wenig später ist die Polizeimas­chine mit einer Rettungsma­nnschaft an Bord auf dem Weg zum Großen Wilden. In der in den Frühlingsm­onaten bei Skibergste­igern beliebten Gamswanne hat sich ein schwerer Unfall ereignet. Ein 64-jähriger Tourengehe­r war kurz unterhalb des Gipfels abgerutsch­t und über felsiges Gelände gestürzt. Sein Begleiter versuchte, ihm zu Hilfe zu eilen. Nach Angaben der Polizei rutschten beide Bergsteige­r dann aber 200 Meter das steile Schneefeld hinunter. Der unverletzt gebliebene Begleiter versuchte erfolglos, den 64-Jährigen wiederzube­leben. Andere Tourengehe­r in der Nähe setzten einen Notruf ab.

Noch bevor Bergwacht und Alpinpoliz­ei am Unglücksor­t sind, erliegt der Mann seinen schweren Verletzung­en. Die Alpinpoliz­ei übernimmt die weiteren Ermittlung­en. Beide Skitoureng­eher waren gut ausgerüste­t.

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FOTOS: MATTHIAS BECKER Bergung per Winde: Retter und Verletzter werden mit dem bis zu 50 Meter langen Seil an Bord geholt.

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