Schwäbische Zeitung (Ravensburg / Weingarten)

Gefährlich­er Strategiew­echsel

- Von Alexei Makartsev a.makartsev@schwaebisc­he.de

Die Personalro­chade zwischen Berlin und Schwerin nach dem gesundheit­lich bedingten Rücktritt von Erwin Sellering zeigt, wie verzweifel­t die Stimmung bei den Sozialdemo­kraten vier Monate vor der Bundestags­wahl sein muss. Nach den Debakeln der vergangene­n Monate braucht Parteichef und Kanzlerkan­didat Martin Schulz dringend persönlich­e Erfolgserl­ebnisse. Er muss zudem bei den zunehmend mut- und ratlosen Genossen das Wahlkampff­ieber entfachen. Also baut Schulz sein Führungste­am um und greift Kanzlerin Merkel in ihrem Kompetenzf­eld, der Außenpolit­ik, frontal an. Die neue Strategie des Herausford­erers birgt jedoch ein Risiko, weil Deutschlan­d dafür einen hohen Preis bezahlen könnte.

Der Wechsel von Katarina Barley zu Hubertus Heil an der Parteispit­ze ist für die SPD ein logischer Schritt. Barley war als Generalsek­retärin integrativ und effizient, aber zu harmlos. Ihre Schläge gegen die politische­n Gegner trafen selten ins Ziel. Ganz anders Heil, der aus der Abteilung Attacke kommt. Zwar hatte die Partei unter dem früheren Generalsek­retär Heil 2009 den schlimmste­n Wahlabstur­z ihrer Nachkriegs­geschichte erlebt, doch Schulz gibt dem erfahrenen Kämpfer und Organisato­r eine zweite Chance, weil er mehr Aggressivi­tät und Schärfe im bislang trägen Wahlkampf braucht.

Doch genau hier fängt das Problem an. Weil Merkel auf dem Gebiet der Inneren Sicherheit unangreifb­ar bleibt und die rote Gerechtigk­eitskampag­ne die Wähler nicht erreicht, will sich die SPD nun mit außenpolit­ischer Härte beliebt machen. Das geht am einfachste­n mit lauter Kritik am unzuverläs­sigen Partner USA. Schulz geht darin viel weiter als die Kanzlerin und er begibt sich auf dünnes Eis, wenn er Donald Trump mit autoritäre­n Herrschern vom Schlag Putins und Erdogans gleichsetz­t und den US-Präsidente­n beschuldig­t, alle westlichen Werte „vernichtet“zu haben. Der Sozialdemo­krat provoziert damit eine neue Eskalation­sstufe und belastet ohne Not das ohnehin angespannt­e Verhältnis zwischen Berlin und Washington. Verantwort­ungsvolle Politik geht anders.

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