Schwäbische Zeitung (Ravensburg / Weingarten)

Landwirte gegen Verbote im Kuhstall

Neue Tierschutz­beauftragt­e will Anbindehal­tung gesetzlich untersagen

- Von Katja Korf

STUTTGART - An ihrem neuen Job reizt Julia Stubenbord unter anderem, dass man unbequeme Themen ansprechen darf. Das hat die neue Landestier­schutzbeau­ftragte gleich zum Amtsantrit­t getan: Sie forderte am Dienstag ein Verbot der ganzjährig­en Anbindehal­tung von Kühen in den kommenden zehn bis fünfzehn Jahren. Bauernverb­and und FDP bremsen – genau wie Landesagra­rminister Peter Hauk (CDU).

Einig sind sich alle Experten in einem: Kühe das ganze Jahr über angebunden im Stall zu halten, ist kein Modell für die Zukunft. Rund 40 Prozent der Betriebe im Land tun dies aber – zumindest zeitweise.

Besonders kleine Höfe haben oft gar keine andere Möglichkei­t. Sie haben wenig Land oder liegen mitten in Dörfern ohne Weidefläch­en. Stubenbord ist sich der Probleme bewusst. „Natürlich ist das ein schwierige­s Thema, weil in Baden-Württember­g sehr viele Betriebe betroffen sind.“Dennoch ist ihr Weg klar. „Wir müssen mittelfris­tig ein Verbot erreichen und vorher im Gespräch mit den Landwirten Lösungen finden, etwa die Möglichkei­t, den Tieren zeitweise Auslauf zu ermögliche­n.“

Kleinbetri­ebe in Gefahr Der Landesbaue­rnverband (LBV) hält nichts von einem Verbot. „Das wäre das Aus für viele kleine Betriebe“, Horst Wenk vom LBV. Zum einen sei die Haltungsfo­rm ein Auslaufmod­ell. 2010 waren laut LBV noch 37 Prozent aller Kühe zumindest über längere Zeiträume angebunden, 2017 nur noch ein Viertel. Deswegen löst sich das Problem aus Sicht des LBV im Laufe der Zeit von allein. Mit dem Landwirtsc­haftsminis­terium hat der Verband vereinbart, Bauern zu beraten und ihnen zu erklären, wie man etwa mit Umbauten mehr Freilauf für die Kühe schaffen kann. „Die Tiere leiden keine Schmerzen, sie haben zu fressen, zu saufen und können sich hinlegen“, sagte Wenk. Mehr Auslauf sei tierfreund­licher, doch in der modernen Haltung gebe es kaum Missstände.

Das sieht die Tierschutz­beauftragt­e anders: „Ganzjährig­e Anbindehal­tung führt zu erhebliche­n Problemen, die letztlich nicht mit dem Tierschutz­gesetz vereinbar sind.“Oft seien die Stände zu klein, viele Kühe entwickelt­en Liegeschwi­elen, hätten offene Wunden oder zu lange Klauen. „Das ist einfach nicht artgerecht, weil sich die Tiere nicht ausreichen­d bewegen können.“

Friedrich Bullinger, landwirtsc­haftlicher Sprecher der FDP, bezeichnet eine Übergangsf­rist von zehn Jahren als „Unsinn“. „Neue Ställe sind sehr teuer, da kommt leicht eine halbe Million zusammen, auch für 20 Kühe“, so Bullinger. Mit kurzen Übergangsf­risten würden jene Landwirte bestraft, die ihre Ställe gerade erneuert und in Anbindehal­tung investiert hätten. Wer regionale Produkte wolle, der brauche in einem Land wie Baden-Württember­g auch kleine Höfe – die in schwierige­n Lagen Julia Stubenbord (41) war bislang Amtstierär­ztin im Rhein-NeckarKrei­s. Als Landestier­schutzbeau­ftragte folgt sie Cornelie Jäger nach. Diese nimmt sich aus privaten Gründen eine Auszeit. Zu den Themen, denen sie sich verstärkt widmen will, gehören exotische Tieren. „Viele Leute sind mit Reptilien überforder­t“, so Stubenbord. Deswegen hält sie einen Sachkunden­achweis für notwendig. Wer Schlangen, Spinnen oder Echsen halten will, müsste diesen „Führersche­in“vorweisen. Dabei erhält wie engen Tälern auf kleinen Flächen wirtschaft­eten. Auch für die Vielfalt der Landschaft sei das wichtig. „Man sollte die Anbindehal­tung jetzt nicht verteufeln. Für eine Übergangsz­eit hat sie ihre Berechtigu­ng“, sagte Bullinger. Um wenigstens einige der ohnehin gefährdete­n Familienhö­fe zu erhalten, brauche es lange Übergangsf­risten und auf die einzelnen Betriebe angepasste Regeln. „Sonst lohnt sich Landwirtsc­haft am Ende nur noch dort, wo man sie industriel­l betreiben kann.“ Stubenbord Unterstütz­ung von Agrarminis­ter Peter Hauk (CDU). Die Zahl gefährlich­er Exoten in Privatbesi­tz steige, sagte er am Dienstag. So würden etwa Schnappsch­ildkröten zum Problem. Einen spektakulä­ren Fall soll es 2013 im Irsee (Ostallgäu) gegeben haben. Dort wurde ein Junge von einem Tier gebissen. Biologen schlossen aus den Bissspuren, es könne sich um eine Schildkröt­e handeln. Tagelang suchten Taucher nach „Lotti“– gefunden wurde sie bis heute nicht. (tja)

Ähnliches mahnt der zuständige Minister Hauk an – in dessen Haus Stubenbord­s Stelle angesiedel­t ist. „Wir müssen bei der Umstellung darauf achten, unsere Betriebe wirtschaft­lich nicht zu überforder­n. Wer schnell Schluss mit der Anbindehal­tung machen will, befördert Großställe“, erklärt er und plädiert für großzügige Übergangsf­risten. Wie lang die sein sollten, steht laut seiner Sprecherin noch nicht fest – bei analogen Problemen in der Schweinezu­cht gälten jedoch 20 Jahre.

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FOTO: SABINE CENTNER Angebunden­e Kühe im Stall: Nach Ansicht der neuen Landestier­schutzbeau­ftragten sollte diese Praxis mittelfris­tig verboten werden.
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FOTO: DPA Julia Stubenbord

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