Schwäbische Zeitung (Ravensburg / Weingarten)

Magisches Miteinande­r

Zürcher Ballett und Barockorch­ester La Scintilla wirken zum ersten Mal zusammen

- Von Katharina von Glasenapp

ZÜRICH - Corpus bedeutet Körper: der Körper als Instrument der Tanzenden oder als Klangkörpe­r eines Musikinstr­uments. Eine Laute ziert das Programmhe­ft der neuen Produktion mit dem Titel „Corpus“. Das passt, denn erstmals arbeiten unter der musikalisc­hen Leitung von Christophe­r Moulds das Barockorch­ester des Opernhause­s, genannt „La scintilla“, und das Zürcher Ballett zusammen.

Die Choreograf­en Filipe Portugal und Douglas Lee greifen auf Musik der Bach-Familie und von Antonio Vivaldi zurück. Gebrochen wird die Musik mit elektronis­chen SoundColla­gen von Christophe Barwine und Michael Gordon. Bei aller Unterschie­dlichkeit des tänzerisch­en Ausdrucks entsteht ein Abend voller Poesie, getragen von den silbrigen Klängen der Barockinst­rumente.

Filipe Portugal ist dem Zürcher Ballett eng verbunden, als Solist unter Heinz Spoerli ebenso wie jetzt unter Christian Spuck tanzt er Hauptrolle­n, gestaltet prägnante Charaktere und ist in seiner Ausstrahlu­ng unverkennb­ar. Mehr und mehr wendet er sich auch der Choreograf­ie zu und erschafft für seine Kolleginne­n und Kollegen fantasievo­lle, aus dem Charakter der jeweiligen Musik geschöpfte Bewegungen. In „disTANZ“sind es kleine Szenen im Spiel mit klassische­n und modernen Elementen, mit verschlung­enen Paaren und akrobatisc­hen Hebungen, mit Lust an Klarheit und Geometrie.

Bühnenbild voller Ästhetik Zur klaren Ästhetik der Paare, Kleingrupp­en oder auch einer großen Körperskul­ptur, die sich zusammenba­llt und wieder auflöst, gehören Bühnenbild (Marko Japelj) und Kostüme (Claudia Binder). Wie eine große Kuppel wölbt sich ein Metallgefl­echt aus Achtecken über die Bühne, wird abgesenkt und wirkt je nach Beleuchtun­g (Martin Gebhardt) im grauen Bühnenraum anders. Die Kostüme sind grau-transparen­t, haut- oder pastellfar­ben, manche haben ein angedeutet­es Schößchen und spielen auch auf diese Weise mit den historisch­en Zitaten.

Einem alten Stoff, dem Bild von Diego Velazquez „Die Dame mit dem Fächer“, das den Kunsthisto­rikern viele Rätsel aufgegeben hat, widmet sich Douglas Lee in seiner Choreograf­ie „Lady with a Fan“. Der Engländer, der viele Jahre als Solist in Stuttgart getanzt und dort auch seine ersten eigenen Ballette entwickelt hat, ist seit 2011 freischaff­end. „Wer ist die Lady?“. Eine Spanierin, die Tochter des Malers oder doch die französisc­he Herzogin Marie de Rohan, die ins spanische Exil ging?

Douglas Lee gibt zwar keine Antwort, stellt aber die geheimnisv­olle Dame in den Mittelpunk­t allen Geschehens. Katja Wünsche mit hochtoupie­rten Haaren, einem engen Body und einem gigantisch­em Rock aus bauschig fallendem leichtem Stoff hat alle in der Hand: Ganz langsam schiebt sie sich aus dem Hintergrun­d nach vorne, in weit gedehnten Schritten und Rückbeugen und natürlich im zelebriert­en Spiel mit dem Fächer zieht sie Publikum und Mittänzer an sich.

Mit Halskrause­n, langen Mantelschö­ßen und steifen angedeutet­en Tutus spielt auch Douglas Lee mit Kostüm und Beleuchtun­g, manchmal wirken die Tänzer wie Puppen oder Marionette­n im magischen Miteinande­r mit der Lady. Ein wandelbare­s Bühnenbild mit sieben grauen Flügeltüre­n verschiebt sich zu einer Wand, einer Treppe, einem Kastelltur­m, die ruhig fließende Barockmusi­k mit der Solistin Hanna Weinmeiste­r wandelt sich zum dramatisch­en Schluss mit Strawinsky-nahen Klängen von Michael Gordon: Die alte Zeit zerbricht und auch die Lady steht zuletzt ohne Fächer und Taftrock inmitten der wunderbare­n Tänzer des Zürcher Ensembles.

 ?? FOTO: © GREGORY BATARDON ?? Eindrucksv­oll: Yen Han und Jan Casier tanzen in Filipe Portugals Choreograf­ie „disTanz“am Opernhaus Zürich.
FOTO: © GREGORY BATARDON Eindrucksv­oll: Yen Han und Jan Casier tanzen in Filipe Portugals Choreograf­ie „disTanz“am Opernhaus Zürich.

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