Schwäbische Zeitung (Ravensburg / Weingarten)
Magisches Miteinander
Zürcher Ballett und Barockorchester La Scintilla wirken zum ersten Mal zusammen
ZÜRICH - Corpus bedeutet Körper: der Körper als Instrument der Tanzenden oder als Klangkörper eines Musikinstruments. Eine Laute ziert das Programmheft der neuen Produktion mit dem Titel „Corpus“. Das passt, denn erstmals arbeiten unter der musikalischen Leitung von Christopher Moulds das Barockorchester des Opernhauses, genannt „La scintilla“, und das Zürcher Ballett zusammen.
Die Choreografen Filipe Portugal und Douglas Lee greifen auf Musik der Bach-Familie und von Antonio Vivaldi zurück. Gebrochen wird die Musik mit elektronischen SoundCollagen von Christophe Barwine und Michael Gordon. Bei aller Unterschiedlichkeit des tänzerischen Ausdrucks entsteht ein Abend voller Poesie, getragen von den silbrigen Klängen der Barockinstrumente.
Filipe Portugal ist dem Zürcher Ballett eng verbunden, als Solist unter Heinz Spoerli ebenso wie jetzt unter Christian Spuck tanzt er Hauptrollen, gestaltet prägnante Charaktere und ist in seiner Ausstrahlung unverkennbar. Mehr und mehr wendet er sich auch der Choreografie zu und erschafft für seine Kolleginnen und Kollegen fantasievolle, aus dem Charakter der jeweiligen Musik geschöpfte Bewegungen. In „disTANZ“sind es kleine Szenen im Spiel mit klassischen und modernen Elementen, mit verschlungenen Paaren und akrobatischen Hebungen, mit Lust an Klarheit und Geometrie.
Bühnenbild voller Ästhetik Zur klaren Ästhetik der Paare, Kleingruppen oder auch einer großen Körperskulptur, die sich zusammenballt und wieder auflöst, gehören Bühnenbild (Marko Japelj) und Kostüme (Claudia Binder). Wie eine große Kuppel wölbt sich ein Metallgeflecht aus Achtecken über die Bühne, wird abgesenkt und wirkt je nach Beleuchtung (Martin Gebhardt) im grauen Bühnenraum anders. Die Kostüme sind grau-transparent, haut- oder pastellfarben, manche haben ein angedeutetes Schößchen und spielen auch auf diese Weise mit den historischen Zitaten.
Einem alten Stoff, dem Bild von Diego Velazquez „Die Dame mit dem Fächer“, das den Kunsthistorikern viele Rätsel aufgegeben hat, widmet sich Douglas Lee in seiner Choreografie „Lady with a Fan“. Der Engländer, der viele Jahre als Solist in Stuttgart getanzt und dort auch seine ersten eigenen Ballette entwickelt hat, ist seit 2011 freischaffend. „Wer ist die Lady?“. Eine Spanierin, die Tochter des Malers oder doch die französische Herzogin Marie de Rohan, die ins spanische Exil ging?
Douglas Lee gibt zwar keine Antwort, stellt aber die geheimnisvolle Dame in den Mittelpunkt allen Geschehens. Katja Wünsche mit hochtoupierten Haaren, einem engen Body und einem gigantischem Rock aus bauschig fallendem leichtem Stoff hat alle in der Hand: Ganz langsam schiebt sie sich aus dem Hintergrund nach vorne, in weit gedehnten Schritten und Rückbeugen und natürlich im zelebrierten Spiel mit dem Fächer zieht sie Publikum und Mittänzer an sich.
Mit Halskrausen, langen Mantelschößen und steifen angedeuteten Tutus spielt auch Douglas Lee mit Kostüm und Beleuchtung, manchmal wirken die Tänzer wie Puppen oder Marionetten im magischen Miteinander mit der Lady. Ein wandelbares Bühnenbild mit sieben grauen Flügeltüren verschiebt sich zu einer Wand, einer Treppe, einem Kastellturm, die ruhig fließende Barockmusik mit der Solistin Hanna Weinmeister wandelt sich zum dramatischen Schluss mit Strawinsky-nahen Klängen von Michael Gordon: Die alte Zeit zerbricht und auch die Lady steht zuletzt ohne Fächer und Taftrock inmitten der wunderbaren Tänzer des Zürcher Ensembles.