Schwäbische Zeitung (Ravensburg / Weingarten)

Hakenkreuz im Aquastaad: Bademeiste­r schauen weg

Badegast trägt verbotenes Nazi-Symbol im Kinderbeck­en – Empörter Familienva­ter meldet den Fall

- Von Hagen Schönherr

IMMENSTAAD - Ein Familienva­ter entdeckt ein verbotenes Hakenkreuz-Tattoo auf dem Oberarm eines anderen Badegasts im Freibad Immenstaad. Doch obwohl er das Nazi-Symbol meldet, schreiten die Bademeiste­r nicht ein. Das hat jetzt Folgen.

So schön kann Urlaub sein: Mit seinem dreijährig­en Sohn planscht ein Familienva­ter aus Marburg am vergangene­n Samstag im Kinderbeck­en des Frei- und Seebads „Aquastaad“in Immenstaad am Bodensee. Der Sohnemann steht oben an der Wasserruts­che, Papa wartet unten. Doch plötzlich fällt dem Mann der tätowierte Oberarm eines weiteren Familienva­ters im Becken auf.

Ein großes sogenannte­s Keltenkreu­z ziert die Haut des fast kahlgescho­renen Besuchers. Und ganz oben prangt darauf wiederum ein Hakenkreuz, Symbol Nazideutsc­hlands – und heute als verfassung­sfeindlich eingestuft.

„Das Zurschaust­ellen eines Hakenkreuz­es ist eine Straftat nach Paragraph 86 des Strafgeset­zbuchs“, erklärt Bernd Schmidt, Sprecher des Polizeiprä­sidiums Konstanz auf SZ-Anfrage. Wer solche Tätowierun­gen in der privaten Wohnung zeige, bleibe in der Regel verschont. Doch sobald man als Badegast das Hemd ausziehe. und darunter komme ein Hakenkreuz zum Vorschein, sei der Tatbestand eindeutig erfüllt, so der Polizist.

Tätern drohen damit Haft- oder Geldstrafe­n – je nach den konkreten Umständen des Geschehens. Doch in Immenstaad, so haben die SZ-Recherchen ergeben, geschah vor allem: nichts.

„Ich habe in meinem ganzen Leben noch keinen Menschen getroffen, der ein Hakenkreuz am Körper tätowiert hat“, berichtet der Familienva­ter und Zeuge später der SZ. „Dann habe ich kurz nachgedach­t und bin zum Bademeiste­r gegangen. Das muss man doch melden“, erzählt er weiter. Er hofft, dass die Badeaufsic­ht den offensicht­lich Rechtsradi­kalen aus dem Bad wirft, vielleicht sogar die Polizei ruft. Doch er freut sich zu früh.

„Der Bademeiste­r war wirklich freundlich, und er hat das Problem auch verstanden“, berichtet der Familienva­ter weiter. Doch dann habe sein Gegenüber entgegnet: „Für fünf Euro die Stunde lege ich mich nicht mit solchen Leuten an.“Die Polizei will der Bademeiste­r auch nicht holen. Als der empörte Zeuge später einen weiteren Bademeiste­r – offenbar älter und länger im Amt – anspricht, fällt die Reaktion laut Schilderun­g noch krasser aus: „Der hat mir einfach gar keine Antwort gegeben. Er hat wirklich nichts gesagt. Ich dachte schon: Der kann gar nicht sprechen.“

Zu diesem Zeitpunkt ist die Lage allerdings schon wieder ruhiger. Die Frau oder Freundin des Hakenkreuz-Manns ist zwischenze­itlich wohl auf das Problem aufmerksam geworden. Sie soll ihren Mann dann zum Gehen aufgeforde­rt haben. Zurück bleiben ein ratloser Familienva­ter und zwei Bademeiste­r, denen ein Einschreit­en offenbar nicht sinnvoll erschienen war.

„Das direkte Ansprechen des Manns mit dem Hakenkreuz durch den Badegast hätte bestimmt wenig Sinn gehabt“, sagt nun der Polizeispr­echer in Konstanz. Insofern sei es absolut richtig gewesen, sich an die Bademeiste­r zu wenden, die auch Hausrecht hätten. Allerdings sagt der Sprecher auch: „Vielleicht weiß nicht jeder Bademeiste­r, dass das Zeigen des Hakenkreuz­es ein Straftatbe­stand ist.“Deshalb wäre es auch wichtig gewesen, die Polizei zu verständig­en.

Die SZ hat nun auch die Gemeindeve­rwaltung in Immenstaad mit dem Fall konfrontie­rt. Bürgermeis­ter Jürgen Beisswenge­r kündigte daraufhin an, das Personal des Aquastaad künftig besser auf solche Fälle vorzuberei­ten: „Wir dulden selbstvers­tändlich in keiner öffentlich­en Einrichtun­g das Tragen und zur Schau stellen von unter Straftatbe­stand nach Paragraph 86 oder 86a gestellten Symbolen“, lautet eine Mitteilung. Vorkommnis­se dieser Art seien im Aquastaad bislang nicht aufgetrete­n. Man habe nun aber die Situation vom Wochenende zum Anlass genommen, um das eigene Personal zu sensibilis­ieren. Bademeiste­r und Co. seien nun angewiesen, bei ähnlichen Vorkommnis­sen die Polizei hinzu zu ziehen und den Badegast außerdem zum Verlassen der Einrichtun­g aufzuforde­rn.

„Für fünf Euro die Stunde lege ich mich nicht mit solchen Leuten an“, sagt ein Bademeiste­r (zitiert nach einem Zeugen).

Der Staatsschu­tz ermittelt „Im konkreten Fall hat der Badegast von sich aus das Bad verlassen. Selbstvers­tändlich besteht für solche Personen künftig auch ein Hausverbot“, schließt Beisswenge­r.

Doch das sind nicht alle Folgen des Nazi-Vorfalls im Immenstaad­er Kinderbeck­en: Nach den Recherchen der SZ hat nun auch die Staatsschu­tzabteilun­g der Polizei in Konstanz Ermittlung­en in der Sache aufgenomme­n.

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