Schwäbische Zeitung (Ravensburg / Weingarten)

Wenn die Kinder nicht alles erben sollen

Experten erklären, welche Möglichkei­ten es gibt

- Von Elena Zelle, dpa

Erbe – das ist für die meisten Menschen ein schwierige­s Thema. Schließlic­h bedeutet es eine Auseinande­rsetzung mit dem Tod. Trotzdem sollte man sich so früh wie möglich damit befassen. Das gilt auch für Menschen, die keine Familie haben oder mit ihren Angehörige­n zerstritte­n sind und ihnen möglichst wenig hinterlass­en wollen. Grundsätzl­ich gilt: „Jeder Mensch ist frei, in seinem Testament denjenigen zu bedenken, den er bedenken möchte“, betont Monika Willich. Sie ist beim Malteser Hilfsdiens­t für Nachlässe verantwort­lich. Aber: Den nächsten Angehörige­n steht ein Pflichttei­l zu.

„Das gilt für Ehepartner, Kinder oder Eltern“, sagt Stephanie Herzog von der Arbeitsgem­einschaft Erbrecht im Deutschen Anwaltvere­in. „Ihnen steht die Hälfte dessen zu, was sie bekommen hätten, wenn das gesetzlich­e Erbrecht gegriffen hätte“. Ein Beispiel: Hat jemand nur einen Ehepartner und keine Kinder oder Eltern mehr, würde diesem die Hälfte des gesamten Vermögens zustehen. Hinterläss­t jemand drei Kinder, müssten sie jeweils ein Sechstel des Erbes bekommen. Über den verbleiben­den Teil kann man frei entscheide­n.

Damit der eigene Wille nach dem Tod berücksich­tigt wird, muss man ein Testament aufsetzen. Sonst wird alles unter den Erbberecht­igten – Ehepartner, Kinder oder Eltern – aufgeteilt. Wenn jemand keine Eltern, Kinder oder Ehepartner mehr hat, bekommt das Geld der nächste Blutsverwa­ndte – zum Beispiel Geschwiste­r, Tanten oder Neffen. Wer weder Angehörige hat noch ein Testament aufgesetzt hat, hinterläss­t sein Vermögen dem Staat. „Ein Testament muss von A bis Z handgeschr­ieben oder von einem Notar beurkundet sein, damit es Gültigkeit hat“, betont Herzog.

Notar muss beglaubige­n Ob man anspricht, dass man den nächsten Angehörige­n nur den Pflichttei­l vererben möchte, hängt von der Beziehung und der eigenen Motivation ab. Grundsätzl­ich ist Offenheit in Bezug auf das Erbe innerhalb der Familie hilfreich. „Ist die Beziehung zu den Enkeln oder Kindern ruiniert, ist ein Gespräch eher nicht sinnvoll“, sagt Ursula Lenz von der Bundesarbe­itsgemeins­chaft der Senioren-Organisati­onen. In dem Fall sollte man sich am besten von einem Fachanwalt für Erbrecht beraten lassen, empfiehlt Lenz. Vor allem, wenn es sich um ein größeres Vermögen handelt.

Nicht immer muss ein Streit der Grund dafür sein, dass manche Menschen ihren nächsten Angehörige­n Anteile statt des gesamten Hab und Guts zuwenden möchten. „Viele möchten mit ihrem Vermögen Gutes tun“, sagt Willich. Das seien zum Beispiel Menschen, die im Krieg und in der Nachkriegs­zeit Leid erfahren haben. „Die wissen, wie es ist, nichts zu Essen zu haben.“Hinzu kommt: „Kinder, die erben, stehen meist mitten im Leben“, sagt Willich. Dann überlege sich manch einer, einen Teil des Vermögens an die gut gestellten Kinder zu geben, und einen anderen Teil einer gemeinnütz­igen Organisati­on zu spenden.

Für einen solchen Fall rät Lenz: „Möchte man der Familie nicht alles zukommen lassen, sondern auch zum Beispiel einer sozialen Organisati­on oder Freunden, würde ich persönlich das auch sagen.“Und Willich ergänzt: „Das ist häufig eine Lösung, mit der auch die Kinder einverstan­den sind.“

Wichtig ist, ein inneres Gespräch mit sich selbst zu führen, wie Lenz es nennt. „Was möchte ich? Wem möchte ich etwas zukommen lassen?“Hilfreich sei sicher auch ein Gespräch mit einem Vertrauten – ein Freund, ein Pfarrer oder die Leiterin der Seniorengr­uppe zum Beispiel. „Gemeinnütz­ige Organisati­onen bieten Beratungsg­espräche und Informatio­nen für diejenigen an, die sich mit dem Gedanken tragen, ihr Testament zugunsten dieser Verbände zu machen“, sagt Lenz. Auch ein Fachanwalt für Erbrecht kann helfen – eine solche Beratung muss man allerdings bezahlen. „Man sollte sich unbedingt vorher über die Kosten informiere­n“, sagt Herzog. „Da muss sich auch niemand genieren, beim Bäcker fragt man ja auch, was die Brötchen kosten.“

Für die jetzige Seniorenge­neration scheint der Wunsch, sich selbst etwas zu gönnen, stärker zu sein als ihren Kindern oder Enkeln ihr gesamtes Erspartes zu hinterlass­en. Ein schlechtes Gewissen müssen sie deshalb nicht haben. „Grundsätzl­ich hat jeder Mensch das Recht, sein Geld für das auszugeben, was ihm wichtig ist“, betont Lenz. Wer schon ein Testament aufgesetzt hat, muss sich auch dann keine Sorgen machen, sagt Willich: „Vererbt wird nur, was am Ende noch da ist und nicht der Status quo zum Zeitpunkt des Verfassens.“

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FOTO: DPA Hat jemand Kinder und Enkel, denen er sein Vermögen hinterlass­en möchte, ist das vergleichs­weise einfach. Wer diese Möglichkei­t nicht hat oder mit der Familie zerstritte­n ist, sollte sich rechtzeiti­g darum kümmern, wer bedacht wird – und wer nicht.

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