Schwäbische Zeitung (Ravensburg / Weingarten)
Kritik an Aufklärungseifer von der Leyens
Wehrbeauftragter, SPD und Grüne fordern Abschlussbericht zu Pfullendorf-Skandal
ULM - Eine zügige Aufklärung der angeblichen sexuell-sadistischen Ausbildungspraktiken in der Pfullendorfer Staufer-Kaserne fordern SPD und Grüne im Bundestag. Vorwürfe verschiedener Medien, Verteidigungsministerin Ursula von der Leyen (CDU) habe die Vorgänge aufgebauscht und dem Verteidigungsausschuss bewusst und frühzeitig entlastendes Material vorenthalten, um in der Öffentlichkeit als Aufklärerin zu punkten, müssten erklärt werden.
Der Wehrbeauftragte des Bundestags, Hans-Peter Bartels (SPD), sagte der „Schwäbischen Zeitung“, er erwarte jetzt zügig einen Abschlussbericht des Verteidigungsministeriums: „Nach drei unterschiedlichen Berichten des Ausbildungskommandos, des Ministeriums an den Verteidigungsausschuss und der Staatsanwaltschaft ist es an der Zeit, Klarheit zu schaffen.“
Was wusste und sagte wann wer über welche Details? „Bild“-Online berichtete am Dienstag, bereits in der ersten Februarhälfte, zwei Wochen nach Bekanntwerden des Skandals, seien der Ministerin aus dem eigenen Haus entlastende Einzelheiten bekannt gewesen. Es gebe keinen Nachweis für „erotische Tanzbewegungen“an einer Tanzstange, hatte auch die Staatsanwaltschaft Hechingen im Mai konstatiert und die Ermittlungen eingestellt. Weiter hätten sich Lehrgangsteilnehmer zu Ausbildungszwecken nicht nackt ausziehen müssen. Der „Bild“-Vorwurf: Von der Leyen und ihr Ministerium hätten wider besseres Wissen die Vorwürfe wiederholt und den Verteidigungsausschuss des Bundestages falsch informiert.
Ein Sprecher des Verteidigungsministerium wies am Dienstag im Gespräch mit der „Schwäbischen Zeitung“die Vorwürfe zurück, von der Leyen wolle sich aus politischem Eigennutz als Aufklärerin etablieren. „Wir unterscheiden zwischen strafrechtlicher und disziplinarrechtlicher Relevanz“, sagte der Sprecher. Die Vorwürfe seien „in Bezug auf Anstand, Dienstaufsicht, Truppenführung und Verantwortung“für die Bundeswehr nach wie vor relevant. Daher werde weiter ermittelt.
Irritiert zeigte sich die grüne Verteidigungsexpertin und Ravensburger Bundestagsabgeordnete Agnieszka Brugger: „Weder darf man solche Vorfälle kleinreden und verharmlosen, noch darf Ursula von der Leyen diese Geschehnisse wahrheitswidrig skandalisieren, um sich als große Aufklärerin darzustellen.“
Unabhängig von dem jetzt abgeschlossenen Verfahren ermittelt die Staatsanwaltschaft Hechingen weiter gegen sieben Bundeswehrangehörige, die in Pfullendorf an möglicherweise strafbaren Aufnahmeritualen beteiligt gewesen sein sollen.