Schwäbische Zeitung (Ravensburg / Weingarten)
Ehrliche Handwerkerin mit Blick über den Tellerrand
Sylvia Burg tritt ab Januar die Nachfolge von Günter Staud an – Erste Frau an der Verwaltungsspitze
WEINGARTEN - Als sich im April 1998 eine 25-jährige Pfälzerin im Weingartener Hauptamt im Rahmen ihrer Referendariatsausbildung zum ersten Mal vorstellte, hätten die Herren Günter Staud, Rainer Beck und Wilfried Erne wohl kaum gedacht, dass vor ihnen die künftige erste weibliche Fachbereichsleiterin der Stadt Weingarten steht. Denn einerseits sollte die Umstrukturierung des Rathauses mitsamt Einführung der Fachbereiche erst viele Jahre später erfolgen. Andererseits war damals noch nicht absehbar, welchen Weg die junge Frau einschlagen würde. „Ich habe schon damals gesagt: Die Stadt braucht eine Juristin“, sagt die 44-jährige Sylvia Burg heute. Ab Januar 2018 übernimmt sie den Posten von Verwaltungsdirektor Günter Staud.
Wer nun glaubt, dass Sylvia Burg dieses Ziel seit ihrem ersten Auftritt in Weingarten konsequent verfolgt hat, der irrt. Denn in den Jahren nach Referendariat und 2. Staatsexamen arbeitete die Juristin als Rechtsanwältin in einer Weingartener Kanzlei. „Ich habe mich bewusst für den Beruf des Rechtsanwaltes entschieden, weil ich ein Menschenfreund bin. Und da war ich nah an den Menschen dran“, erinnert sich Burg.
Das habe sich auch in den folgenden Jahren, in denen sie sich zur Fachanwältin für Immobilienrecht spezialisierte, eine Ausbildung zur Mediatorin machte und seit 2006 nebenberuflich als Dozentin an der Dualen Hochschule Baden-Württemberg (DHBW) lehrte, nicht verändert. „Mir ist es sehr wichtig, nachhaltig und mit jungen Menschen zusammenzuarbeiten“, sagt Burg.
Das gelang ihr auch ab April 2015. Damals hatte sich Burg die Frage gestellt, wie ihr Leben weitergehen sollte. Denn auch wenn eine Beteiligung bei der Kanzlei in greifbare Nähe gerückt war, entschied sich die Juristin für einen anderen, einen neuen Weg. Sie übernahm die Abteilung Liegenschaften im Fachbereich Planen und Bauen bei der Stadt Weingarten. Die Stadt, die Burg als „mein Zuhause“und „große Familie“bezeichnet. „Die Stadt, mit der ich mich beruflich und privat identifizieren kann, weil die Menschen ein bisschen anders sind.“
Tiefe Verbundenheit Sie habe Weingarten viel zu verdanken, genieße die Herzlich- und Menschlichkeit allenthalben. Genau das mache Weingarten aus. Genau das wolle sie den Menschen zurückgeben. „Ich möchte einen kleinen Teil dazu beitragen, dass wir das Gute bewahren und die Stadt weiterentwickeln“, sagt Burg, die vor allem die städtische Haushaltskonsolidierung, die Digitalisierung sowie die Umstellung des Haushaltswesens von Kameralistik auf Doppik als große Herausforderungen in den kommenden Jahren sieht. „Es wird in vielen Bereichen Veränderungen geben“, sagt sie.
Dabei legt Burg großen Wert auf Kommunikation, Menschlichkeit und Team-Spirit. Von starren Hierarchien hält die Mediatorin nichts. Das dürfte alle städtischen Mitarbeiter freuen, schließlich liegt die gesamte interne Personalverantwortung in Burgs künftigem Aufgabenfeld. „Die Personalführung reizt mich sehr. Ich wünsche mir, dass sich jeder Mitarbeiter wohlfühlt, mit der Arbeit identifizieren kann und über den Tellerrand hinausschaut“, sagt die 44-Jährige.
Lebensfreude bewahren Denn das macht die weltoffene Idealistin auch privat. In einer Zeit von Kriegen und Terroranschlägen weltweit will sich Burg für die hohen Güter Freiheit und Demokratie einsetzen. „Es ist wichtig, dass sich die Lebensfreude nicht von der Angst überlagern lässt“, meint die künftige Verwaltungsdirektorin. „Weingarten hat eine sehr schöne Festkultur. Das Leben und die Freiheit der Menschen in der Stadt sollten so erhalten bleiben.“
Darüber hinaus sind Sylvia Burg Gerechtigkeit, Ehrlichkeit und Offenheit wichtig. Letzteres habe ihr auch stets bei ihren Reisen rund um die Welt – unter anderem in den Westen der USA, nach Kenia und in den Oman – geholfen. Doch auch in der Heimat weiß sich Sylvia Burg zu beschäftigen. Als Naturliebhaberin geht sie gerne reiten, Ski fahren oder arbeitet im Garten. Da verwundert es wenig, dass sich die Juristin in Weingarten beim Hofgut Nessenreben am wohlsten fühlt.
Und auch das Handwerken hat es Sylvia Burg angetan. „Ich baue gerne etwas und finde es schön, damit einen Ausgleich zur geistigen Arbeit zu haben“, sagt sie. Daher hat die 44-Jährige auch in der südlichen Nachbarstadt einen Lieblingsort: „Meine Lieblingsgeschäfte sind Baumärkte. Da finden Sie mich im Zweifel fast jedes Wochenende.“