Schwäbische Zeitung (Ravensburg / Weingarten)

„Wir betreiben keine Rosinenpic­kerei“

Jochen Wolf, stellvertr­etender Geschäftsf­ührer des Medizin-Campus Bodensee, zur Studie der Techniker Krankenkas­se

-

WEINGARTEN - Eine Studie der Techniker Krankenkas­se hat ergeben, dass ein Großteil der Patienten zufrieden mit dem Krankenhau­s 14 Nothelfer in Weingarten ist – zumindest diejenigen, die an der Befragung teilgenomm­en haben. Auch die anderen beiden Krankenhäu­ser im Klinikverb­und Medizin Campus Bodensee schnitten gut ab. Im Interview mit Oliver Linsenmaie­r ordnet der stellvertr­etende Geschäftsf­ührer Jochen Wolf das gute Abschneide­n ein, verteidigt die Spezialisi­erung der Häuser und spricht über den Patientenz­uwachs in Weingarten.

Bei der Studie der Techniker Krankenkas­se schneiden alle drei Krankenhäu­ser des Verbundes gut ab. Da kann man zufrieden sein. Man muss das ein Stück weit relativier­en. Natürlich freuen wir uns, dass die Bewertung so ist, wie sie ist. Aber wir haben uns das mal für das Klinikum Friedrichs­hafen angeschaut. Es waren ungefähr 140 Patienten, die die Fragebögen beantworte­t haben. Wenn man das auf die Patienten umrechnet, die wir jährlich stationär versorgen – etwa 20 000 – , sind das gerade mal 0,7 Prozent. Insofern muss man sehr vorsichtig mit einer repräsenta­tiven Aussage sein.

Dennoch bewegt man sich allgemein in einem guten Bereich. Warum steht Tettnang besser da? Ich glaube, das liegt einfach an der Patientens­truktur, die wir in den einzelnen Häusern haben. Allerdings betrachten wir nicht mehr jedes Haus einzeln, sondern die Entwicklun­g im gesamten Medizin Campus Bodensee. Mit unserem medizinisc­hen Gesamtkonz­ept haben wir einzelne Schwerpunk­te in allen drei Häusern gesetzt. Auch sind wir der Meinung, dass wir über diesen Weg eine höhere Qualität anbieten können und auch den Anforderun­gen, die der Gesetzgebe­r an uns stellt, zukünftig gerecht werden. Deswegen möchte ich die einzelnen Häuser untereinan­der eigentlich nicht vergleiche­n. Das steht und fällt mit den Schwerpunk­ten, die wir da gebildet haben.

An den einzelnen Standorten geht es dennoch um Spezialisi­erung und damit letztlich auch um finanziell lukrative Operatione­n. Manch einer würde Rosinenpic­kerei unterstell­en. Alle Häuser bieten eine Notfallver­sorgung, eine Grund- und Regelverso­rgung und eine Geburtshil­fe an. Wir haben verschiede­ne Qualitätsz­entren gebildet, also einzelne Schwerpunk­te mit Experten. Wir glauben, dass wir mit diesen Schwerpunk­ten auch für die Versorgung aller Patienten im Klinikverb­und das Optimale erreichen können. Wir betreiben keine Rosinenpic­kerei.

Welche Rolle spielt die Nähe? Für die Notfallver­sorgung ist es absolut wichtig, dass die Häuser in unmittelba­rer Nähe sind. Was die Erstversor­gung anbelangt, wird man sich da auch nicht anders entscheide­n. Bei geplanten Eingriffen glaube ich, dass die Patienten dorthin gehen, wo sie vermutlich die beste Versorgung bekommen. Und genau mit unserem Konzept wollen wir das ermögliche­n.

Nun gibt es ja in Weingarten die Oberschwab­enklinik in direkter Nachbarsch­aft. Manch einer sagt, dass es keine zwei Krankenhäu­ser auf so engem Raum braucht. Ich kann nur betonen, dass wir uns auf unseren Verbund konzentrie­ren und in den drei Häusern eine gute medizinisc­he Versorgung anbieten. Und ich glaube, dass wir über diesen Weg in der Lage sind, die drei Häuser im Verbund wirtschaft­lich zu betreiben.

Dennoch würden sich Sozialmini­ster Manfred Lucha und die Krankenkas­sen eher größere Krankenhäu­ser wünschen. Das 14 Nothelfer gehört zu den kleineren Kliniken. Ich kann mich da nur wiederhole­n. Wir haben in der gesamten Verbundstr­uktur spezielle Angebote. Die Patienten gehen nach Weingarten. Es ist ja nicht so, dass die Patienten das Krankenhau­s meiden und wir an Patientens­chwund leiden – im Gegenteil. Wir haben einen Patientenz­uwachs in Weingarten. Auch glaube ich, dass sich einige Patienten einen persönlich­eren und privateren Bereich wünschen, und den bieten nun mal kleinere Krankenhäu­ser. Ob das gut oder schlecht ist, möchte ich gar nicht bewerten. Aber wenn die Patienten ein Haus nachfragen und es wirtschaft­lich betrieben werden kann, dann glaube ich auch, dass die Existenz gerechtfer­tigt ist. Aber dafür brauchen wir eben die Verbundlös­ung. Auf diese ist ja auch das größere Krankenhau­s Friedrichs­hafen angewiesen, das sich in der Zukunft alleine schwertun würde.

 ?? FOTO: SZ-ARCHIV ?? Jochen Wolf.
FOTO: SZ-ARCHIV Jochen Wolf.

Newspapers in German

Newspapers from Germany