Schwäbische Zeitung (Ravensburg / Weingarten)

Nicht ohne meine Tochter

Tommy Haas scheidet in Stuttgart aus, darf aber auf eine Wildcard für Wimbledon hoffen

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STUTTGART (SID/dpa) - Tommy Haas blieb nicht viel Zeit für trübe Gedanken. Rotzfrech stürmte Töchterche­n Valentina nach seiner Niederlage im Viertelfin­ale des Tennisturn­iers in Stuttgart das Pressepodi­um, sprang auf den Schoß ihres Papas und entlockte ihm ein Lächeln. Liebevoll streichelt­e Haas ihr übers Haar. „Sie ist der größte Grund, warum ich das noch mache“, sagte der 39-Jährige. Die Sechsjähri­ge lächelte und klatschte für Papas Worte auf dem kleinen Podium leise Beifall. Geschenkt, dass es nicht zum ersten ATP-Halbfinale seit München 2014 gereicht hat. Auf dem Platz hatte Haas wie beim Überraschu­ngssieg gegen Roger Federer bewiesen: Es ist noch Sprit im Tank.

„Kein Sportler verliert gerne. Es kann sein, dass heute noch ein Schläger draufgehen wird. Aber was soll man machen“, sagte Haas, „ich habe das erste Mal seit Langem wieder hintereina­nder Matches gewonnen. Ich versuche, mich jetzt fit zu machen für nächste Woche in Halle.“

Bevor die frühere Nummer 2 der Welt beim MercedesCu­p dem Hamburger Mischa Zverev mit 4:6, 4:6 unterlag, hatte Haas’ Abschiedst­ournee in Stuttgart bereits eine Art Höhepunkt erreicht. Eigentlich wollte er nur den Moment genießen und sein bestes Tennis zeigen, sofern es der geschunden­e Körper erlaubt. Auch wegen seiner vielen Verletzung­en – vier Schulterop­erationen hat er hinter sich – beendet der WahlAmerik­aner am Saisonende seine Karriere. Doch mit dem großen Erfolg gegen den Schweizer Federer im Achtelfina­le überrascht­e er sich selbst, „geschockt“sei er gewesen.

Also ging es ins Viertelfin­ale gegen Zverev, zum ersten Mal seit Rom 2014 war Haas so weit gekommen. Unter den Augen seiner Familie hatte Haas von Beginn an mit Zverevs linkshändi­g gepeitscht­em Aufschlag zu kämpfen, die beiden Dreisatzma­tches gegen Federer und in der ersten Runde gegen den Franzosen Pierre-Hugues Herbert hatten Haas zudem Kraft gekostet. Der Weg zum Netz schien bei jedem Volley weiter zu werden, die Anstrengun­g größer. Nach 1:07 Stunden und Zverevs erstem Matchball war es vorbei.

Zum Durchschna­ufen bleibt Haas allerdings nicht viel Zeit. In der kommenden Woche steht das prestigetr­ächtige Rasenturni­er im ostwestfäl­ischen Halle an, wo der 302. der Weltrangli­ste dank einer Wildcard wieder am Start ist. Danach könnte noch einmal die ganz große Bühne warten. Gerüchte um eine Wildcard für Wimbledon (ab 3. Juli) halten sich hartnäckig. „Seine aktuellen Leistungen schaden ihm mit Sicherheit nicht“, sagte Wimbledon-Chairman Philip Brook am Rande des Turniers in Stuttgart, ohne sich genauer äußern zu wollen.

Für Zverev geht derweil die Jagd nach seinem dritten ATP-Finale weiter. Heute (13.45 Uhr/Eurosport) trifft er im Halbfinale auf den Spanier Feliciano Lopez, der den früheren Wimbledon-Finalisten Tomas Berdych 7:6, 6:4 schlug. Mischas Bruder Alexander, der nach gescheiter­ten Verhandlun­gen nicht in Stuttgart startete, machte den starken Tag der Familie Zverev perfekt. Die Nummer 10 der Welt zog durch ein 6:0, 6:4 gegen den Franzosen Julien Benneteau ins Halbfinale von 's-Hertogenbo­sch ein. In Stuttgart ist Mischa Zverev letzter Deutscher im Turnier, da Vorjahresf­inalist Philipp Kohlschrei­ber gegen den Franzosen Lucas Pouille 4:6, 6:2, 3:6 verlor.

Für die Hamburg-Absage der Brüder, die Turnierdir­ektor Michael Stich kritisiert hatte, auch, weil er in schweren Zeiten stets zu den beiden gehalten habe, führte Zverev sportliche Gründe an: „Ich habe Michael gesagt, dass ich das Turnier im Juli natürlich spielen würde, wenn ich im Herbst nicht so viele Punkte zu verteidige­n hätte. Wäre Hamburg ein Hartplatzt­urnier, würde ich natürlich spielen. Aber nach Wimbledon wieder auf Sand und dann auf Hartplatz zu gehen, ist sehr schwer.“Mit Alexander Zverev hat Stich sogar eine vertraglic­he Vereinbaru­ng, die den Rom-Sieger eigentlich bis 2018 verpflicht­et, in Hamburg zu spielen. Der aber zieht einen Auftritt in Atlanta vor, Mischa Zverev will in Washington spielen.

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FOTOS: DPA Ungewohnte­s Bild: Tommy Haas bekam bei der Pressekonf­erenz Gesellscha­ft von Töchterche­n Valentina.
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Mischa Zverev

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