Schwäbische Zeitung (Ravensburg / Weingarten)

Sachlich und auf Augenhöhe

Seit Februar ist Sarah Schnetz Abteilungs­leiterin für Bildung, Sport und Vereine in Weingarten

- Von Markus Reppner

WEINGARTEN – In der 5. Klasse ging sie zum ersten Mal auf die Straße. Als Schülerin des Spohngymna­siums demonstrie­rte Sarah Schnetz damals für Gleichbere­chtigung: Auch Mädchen sollten künftig am Ravensburg­er Adlerschie­ßen während des Rutenfests teilnehmen dürfen – was zu dieser Zeit noch fast undenkbar war. „Die Männer haben uns gnadenlos ausgepfiff­en.“Das ist noch gar nicht so lange her. Sarah Schnetz ist gerade einmal 26 Jahre alt und damit wohl eine der jüngsten Abteilungs­leiterinne­n einer deutschen Stadtverwa­ltung.

Eine Rebellin ist die gebürtige Weingarten­erin nicht geworden, doch ihr Interesse an Politik war geweckt. „Ich finde es spannend, wie politische Entscheidu­ngen in Deutschlan­d und Europa ihren Weg finden“, beschreibt sie ihre Passion. Von 2009 bis 2013 studierte sie Politikund Verwaltung­swissensch­aften in Konstanz. Zum Praxisseme­ster zog es sie nach Berlin. Bei dem damaligen Bundestags­abgeordnet­en und stellvertr­etenden CDU-Fraktionsv­orsitzende­n Andreas Schockenho­ff lernte sie das breite Themenspek­trum eines Berufspoli­tikers kennen und gewann die Erkenntnis, dass „große“Politik nicht unbedingt Vorrang oder einen größeren Wert hat, als die „kleinen“Anliegen von Bürgern. „Alles hat denselben Wert und ist im gleichen Maße wichtig“, sagt Schnetz.

Die Berliner Erfahrung scheint tiefere Spuren hinterlass­en zu haben. Zwar begann sie nach dem Bachelor noch ihren Master in Speyer. Doch das wissenscha­ftliche Arbeiten war nichts für die 26-Jährige. Es zog sie weg aus dem Elfenbeint­urm theoretisc­her Überlegung­en hin in die praktische Arbeit. Im Juli 2013 entdeckte sie eine Ausschreib­ung der Stadt Weingarten. Die Geschäftss­telle Gemeindera­t sucht eine Mitarbeite­rin. Schnetz bekam den Job und gab die Masterarbe­it auf. Als Schnittste­lle zwischen Verwaltung und Gemeindera­t lernte sie, wie Entscheidu­ngen auf kommunaler Ebene auf den Weg gebracht werden. „Da war ich noch näher an den Bürgeranli­egen dran“, sagt Schnetz. Ein Umstand, der ihren Interessen entgegen kam und so war der Schritt zur Abteilungs­leiterin im Februar 2017 fast eine logische Konsequenz.

Hierarchis­ch untersteht ihre Abteilung Bildung, Sport und Vereine dem Fachbereic­h Gesellscha­ft, Bildung und Soziales von Rainer Beck. Sie wurde im Zuge einer Umstruktur­ierung neu geschaffen. Schnetz kümmert sich um Lehr- und Lernmittel in den Schulen, die Verpflegun­g und Beförderun­g, macht Schulbegeh­ungen und ermittelt den Sanierungs­bedarf. Auch das Angebot der Volkshochs­chule fällt in ihren Zuständigk­eitsbereic­h. Beim Sport geht es um Erfolge und Integratio­n. Im Juli will die Abteilung hierzu erstmals einen umfassende­n Bericht vorlegen. Die Vereine begleitet sie bei Jubiläumsb­egehungen und der Ausrichtun­g des Stadtfests. Schließlic­h unterstehe­n ihr auch die Städtepart­nerschafte­n. „Der Blumenstra­uß soll größer werden“- das ist ihre Vision für Weingarten­s Zukunft. „Die Stadt soll für die Menschen attraktiv sein.“- Apropos Blumenstra­uß: Wenn sie in ihrer Freizeit nicht gerade beim Sport ist, kümmert sie sich leidenscha­ftlich um Streuobstw­iesen und hat dazu extra einen Lehrgang zum „Fachwart für Obst- und Gartenbau“besucht.

Eigenveran­twortung stärken Mit 26 Jahren bereits Personalve­rantwortun­g zu übernehmen ist nicht selbstvers­tändlich– zumal ihr Mitarbeite­r unterstehe­n, die älter sind als sie. „Für mich ist das kein Problem“, sagt sie selbstbewu­sst. „Ich versuche sachlich zu bleiben und meinem Gegenüber auf Augenhöhe zu begegnen.“Natürlich kann sie damit nicht verhindern, das der eine oder andere Dinge trotz bemühter Sachlichke­it persönlich nimmt. „Dann ist es halt so.“Von autoritäre­m Führen hält sie nichts. Ihr geht es um Kooperatio­n. „Ich kann nicht alles machen“, sagt Schnetz. Dazu habe sie weder die Zeit noch das jeweils nötige Fachwissen. Deshalb will die Eigenveran­twortlichk­eit ihrer Mitarbeite­r stärken und auf Vertrauen setzen. Natürlich brauche es auch Regeln, auf die sich jeder verlassen könne. Das schaffe auch Vertrauen.

In diesem Punkt sei sie noch in der Findungsph­ase. Wer will ihr das nach gerade einmal fünf Monaten im Amt verübeln? Weingarten hat sie auf jeden Fall immer im Blick. Sogar von zu Hause aus. Denn von dort sieht sie direkt auf die Basilika.

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FOTO: MARKUS REPPNER Seit Februar Abteilungs­leiterin für Bildung, Sport und Vereine in der Weingarten­er Stadtverwa­ltung: die 26jährige Sarah Schnetz.

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