Schwäbische Zeitung (Ravensburg / Weingarten)
Macron zieht Konsequenzen aus Affären
m Montag war Sylvie Goulard noch an der Seite des Präsidenten zu sehen. Sie stieg zusammen mit Emmanuel Macron aus einem Airbus 400M, der in Le Bourget bei Paris landete. Doch der Auftritt bei der Luftfahrtmesse war der letzte für die französische Verteidigungsministerin: Die 52-Jährige trat am Dienstag überraschend zurück.
„Ich möchte in der Lage sein, frei meinen guten Willen zu zeigen“, erklärte die Weggefährtin Macrons, die fließend deutsch spricht. Ihr wird ebenso wie anderen Politikern ihrer Partei Modem vorgeworfen, als Europaabgeordnete Assistenten beschäftigt zu haben, die in Wirklichkeit für die Partei arbeiteten. Es laufen deshalb Vorermittlungen gegen den Modem, der sich mehr Moral in der Politik auf die Fahnen geschrieben hatte. Auch Vize-Chefin Marielle de Sarnez schloss als Europaministerin einen Rückzug aus der Regierung nicht aus.
Als einziges Modem-Mitglied bliebe damit Parteichef François Bayrou im neuen Kabinett, das nach den Parlamentswahlen gebildet wird. Der Zentrumspolitiker hatte sich Macron im Februar angeschlossen und damit zum Wahlsieg des 39-Jährigen beigetragen. Als Justizminister hatte er erst vor drei Wochen sein „Gesetz für das Vertrauen in die öffentliche Handlung“präsentiert. „Seit Jahren hat man Praktiken gesehen, die das Vertrauen der Menschen in die Gewählten erschüttert haben“, sagte der 66Jährige, der nun wegen der Scheinbeschäftigungsaffäre ebenfalls unter Druck gerät. Zu den von ihm zitierten Praktiken gehört die Beschäftigung von Familienangehörigen, wie sie der konservative Präsidentschaftskandidat François Fillon vornahm. Der Konservative stellte über Jahre hinweg seine Frau und seine Kinder als Parlamentsassistenten an, ohne dass die Verwandtschaft je in den Gängen von Senat und Nationalversammlung gesehen wurde. Die Affäre kostete den Favoriten Fillon letztlich die Präsidentschaft.
„Moralisierung“der Politik Macron hatte angekündigt, mit der Selbstbedienungsmentalität Schluss zu machen. Bayrous Gesetz zur „Moralisierung“der Politik war deshalb auch das erste, das in seiner Amtszeit vorgestellt wurde. Allerdings fiel es mit einer anderen Affäre zusammen, aus der der Präsident nun die Konsequenzen zog. Er bot seinem Wohnungsbauminister Richard Ferrand, gegen den wegen Begünstigung Vorermittlungen laufen, den Fraktionsvorsitz seiner Partei in der Nationalversammlung an. Der 54-Jährige trat deshalb am Montagabend als Minister zurück und machte damit gleichzeitig den Weg für eine größere Regierungsumbildung frei, die am Mittwochabend abgeschlossen sein soll.
Regierungssprecher Christophe Castaner versprach, dass Ferrand seine neue Funktion nicht nutzen werde, um sich seiner Verantwortung zu entziehen – „im Gegensatz zu Marine Le Pen.“Auch die Chefin des Front National steht unter dem Vorwurf der Scheinbeschäftigung. Le Pen weigerte sich, wegen der Affäre zum Verhör zu erscheinen und berief sich auf ihre Immunität als Europaabgeordnete.