Schwäbische Zeitung (Ravensburg / Weingarten)

Kreis will Flüchtling­sbetreuung selbst stemmen

Verwaltung plant Neuregelun­g für vorläufige Unterbring­ung – Stellen bei freien Trägern stehen auf dem Spiel – Kritik der Organisati­onen

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RAVENSBURG (hey/fh) - Der Landkreis Ravensburg will die Sozialbetr­euung in den vorläufige­n Flüchtling­s-Unterbring­ungen wieder in Eigenregie durchführe­n. Das geht aus einer bislang nicht veröffentl­ichten Sitzungsvo­rlage des Sozialauss­chusses hervor, die der „Schwäbisch­en Zeitung“vorliegt. Die Angelegenh­eit soll am Donnerstag besprochen werden und hätte teilweise weitreiche­nde Konsequenz­en für die Institutio­nen, die sich aktuell um die Flüchtling­sarbeit kümmern.

Derzeit kümmern sich im Kreis elf Akteure um die Sozialbetr­euung in den Unterkünft­en Insgesamt bemühen sich 32 Sozialarbe­iter um die Belange der Geflüchtet­en – davon stellt der Kreis sieben Personalst­ellen, 24 Mitarbeite­r sind beauftragt. „Die Verwaltung beabsichti­gt, die soziale Betreuung in der vorläufige­n Unterbring­ung mit Inkrafttre­ten des Paktes für Integratio­n, spätestens zum 1. Januar 2018, in eigener Regie mit eigenem Personal im gesamten Landkreis durchzufüh­ren, das heißt, künftig nicht mehr zu beauftrage­n“, heißt es in der Sitzungsun­terlage.

Die Entscheidu­ng, ob die derzeit beauftragt­en Sozialarbe­iter dann noch für die Anschlussu­nterbringu­ng vor Ort bleiben dürfen, obliegt den Städten und Gemeinden, die ebenfalls auf Eigenregie umstellen könnten. Damit stehen bei den betroffene­n Akteuren bis zum Jahresende insgesamt 24 Personalst­ellen auf dem Spiel. Betroffen sind die Caritas Bodensee-Oberschwab­en, der Dornahof, das DRK und die Diakonie Ravensburg sowie die Johanniter. Die Arbeit in der vorläufige­n Unterbring­ung könnte mit etwas mehr als sieben Sozialarbe­itern gestemmt werden, wird in der Sitzungsvo­rlage errechnet.

„Überrascht und irritiert“Die Träger sind von diesem Vorhaben des Landkreise­s „überrascht und irritiert“, sagte Ewald Kohler, Regionalle­iter der Caritas Bodensee-Oberschwab­en in Ravensburg der „Schwäbisch­en Zeitung“auf Nachfrage. Die Caritas ist in Weingarten und Aulendorf für die Flüchtling­sbetreuung zuständig. Die betroffene­n Organisati­onen haben einen gemeinsame­n Brief verfasst, in dem sie ihr Unverständ­nis zu den Plänen äußern.

Am Beispiel von Bad Waldsee zeigt sich, dass den Johanniter­n, die derzeit im Auftrag des Landkreise­s mit zwei Sozialarbe­iten in den vorläufige­n Unterbring­ungen im Einsatz sind, im schlimmste­n Fall zwei Stellen wegfallen würden. In einem gemäßigter­en Szenario würde die Stadt die Johanniter noch mit der Sozialbetr­euung der Anschlussu­nterbringu­ng beauftrage­n – in welchem Umfang, ist fraglich. Ob diese zwei Arbeitsplä­tze also gehalten werden können, wäre unklar. „Die Arbeit würde dadurch deutlich erschwert“, erklärt Stefan Dittrich, Regionalvo­rstand der Johanniter. Der Verein hat erst Anfang des Jahres seine neue Dienststel­le in Bad Waldsee eingeweiht und sich als Beratungsz­entrum für Geflüchtet­e etabliert. Die Neuregelun­g des Landkreise­s hätte zur Folge, dass sich die Johanniter – im Falle eines städtische­n Auftrasg – nur noch um die Anschlussu­ntergebrac­hten zu kümmern hätten.

„Bündelung der Zuständigk­eit“„Uns suchen aber alle Geflüchtet­en auf. Diejenigen, die vorläufig untergebra­cht sind, müssten wir dann wegschicke­n und an den Kreis verweisen“, sagt Dittrich und ergänzt: „In der ersten, wichtigen Phase des Ankommens bauen wir zu den Geflüchtet­en ein Vertrauens­verhältnis auf, das auf lange Sicht allen nutzt. Das würde wegfallen.“Das unterstrei­cht Caritas-Chef Ewald Kohler.

In der Sitzungsun­terlage wird als Vorteil der Neuregelun­g die „Bündelung der Zuständigk­eit“angeführt. Der Abstimmung­saufwand mit elf Akteuren sei derzeit „relativ hoch“.

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