Schwäbische Zeitung (Ravensburg / Weingarten)

Arm in Arm mit Oma

- Von Markus Glonnegger

Wenn meine Oma einst von mir verlangte, ich solle sonntags Arm in Arm mit ihr die Seestraße hoch, über den Marienplat­z und durch die Kirchstraß­e in die Liebfrauen­kirche gehen, bekam ich mit 16 Jahren die Krise. Sie hängte sich dann rechts bei mir ein und trug links ihre ewige Handtasche. Darin war gewiss ein gebügeltes Spitzentas­chentuch, aber auch ein Päckchen Tempo, falls ich wegen des Weihrauchs einen Niesanfall bekommen sollte. Im Geldbeutel­chen steckten Scheine und genügend Kollektemü­nzen. In den Tiefen ihrer Handtasche ruhte ein kleines Büchslein Nivea sowie ein ebenso kleines Penatencre­me-Döschen.

War Nivea für Gesicht und Hände, entzog sich mir der Zweck der Penatencre­me. Das Fläschen 4711 aber war von universale­r Bedeutung. Daran schnüffelt­e meine Oma, wenn sie auf dem Umweg über die Treppe zum Mehlsack einen kurzzeitig­en Schwächean­fall erlitt. Gelegentli­ch nahm sie auch ein Schlückche­n Kölnisch Wasser auf einem Zuckerwürf­el zu sich, um ganz klar im Kopf zu bleiben.

Meine Oma hatte auch diverse Sterbebild­chen und zeitlebens die Ravensburg­er Mantelmado­nna bei sich in ihrer Handtasche. Auch eine kleine Tafel Milchschok­olade, ihr Gesangbuch, das Döschen mit dem Rosenkranz, ihre Ersatzbril­le und die Gebiss-Haftcreme waren in dieser Handtasche aus Leder, samt einem ominösen Pillendösl­ein. Meine Oma wohnt schon lange auf dem Friedhof, hoffentlic­h auch im Himmel.

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