Schwäbische Zeitung (Ravensburg / Weingarten)

„Kinder mit klassische­r Musik vertraut machen“

Der künstleris­che Leiter Manfred Honeck über die Internatio­nalen Wolfegger Konzerte

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WOLFEGG (sz) - Nach einem Konzert in der Elbphilhar­monie Hamburg hat Manfred Honeck, der künstleris­che Leiter der Internatio­nalen Wolfegger Konzerte, den Organisato­ren ein Interview gegeben. Seit 23 Jahren trägt dieser Konzertrei­gen die Handschrif­t des weltweit gefragten Dirigenten.

Herr Honeck, Sie führen auch 2017 wieder im Rittersaal auf Schloss Wolfegg und in der Kirche St. Katharina musikalisc­he Werke auf, die Ihnen besonders viel bedeuten. Was fasziniert Sie am meisten an dem Konzertpro­gramm? Das Spannende an den Internatio­nalen Wolfegger Konzerten ist jedes Jahr, dass wir neben Bekanntem immer auch Neues bringen. So führen wir dieses Jahr beim Kirchenkon­zert erstmals das Requiem von Gabriel Fauré auf, dessen tröstliche­r Ton und außerorden­tliche Atmosphäre etwas ganz Besonderes sind. Beim Konzert mit den Bamberger Symphonike­rn im wahrhaft imposanten Rittersaal werden wir nach vielen Jahren einmal wieder einen reinen Beethoven-Abend geben. Als Familienme­nsch freue ich mich überaus, dass mein Bruder Rainer die Violinpart­ie übernehmen wird – ein Konzert mit dem eigenen Bruder ist schon etwas sehr Berührende­s; neulich war er auch in Pittsburgh mit dabei. Mit Beethovens „Eroica“brinMensch­en gen wir den ganz großen Wurf, ein gewaltiges Werk zu Gehör. Auch dieses Jahr sind die drei Musikabend­e thematisch verknüpft. So spielt ein Bläserquin­tett, hochbegabt­e Nachwuchsm­usiker, in der Alten Pfarr unter anderem Samuel Barber, und damit einen der wichtigste­n amerikanis­chen Komponiste­n, den wir dann auch in der Wolfegger Kirche hören werden.

Sie sind Music Director des Pittsburgh Symphony Orchestra und als Gastdirige­nt in zahlreiche­n Metropolen auf allen Kontinente­n unterwegs und können sich wahrlich nicht über zu wenig Arbeit beklagen. Warum ist Ihnen als internatio­nal gefragter Dirigent das Festival in Wolfegg trotzdem wichtig? Im Lauf eines Jahres komme ich tatsächlic­h ziemlich viel in der weiten Welt herum und gastiere meistens in großen Städten. Daher schätze ich die überschaub­are und idyllische Wolfegger Welt sehr. Mich beeindruck­t, dass das Festival von einem gemeinnütz­igen Verein organisier­t wird und dass die Verantwort­lichen dies mit Herzblut machen. Zudem gefällt mir sehr, dass wir bei den Internatio­nalen Konzerten auch junge, vielverspr­echende Künstler einladen können. Hier in Wolfegg schließe ich meine Saison ab, hier beginnt für mich der Sommer. Außerdem bin ich da in familiärem Rahmen mit zusammen, die mir mit den Jahren Freunde geworden sind. Diese Tage bedeuten mir immer viel.

Wie schaffen Sie es, jedes Jahr derart prominente Künstlerin­nen und Künstler nach Wolfegg zu locken? Die Wolfegger Konzerte bieten ja – aber nicht nur – hervorrage­nden jungen Künstlerin­nen und Künstlern eine Plattform, die ihnen als Sprungbret­t auf die großen Bühnen dienen kann. Ich denke da zum Beispiel an den Tenor Jonas Kaufmann, der 2003 in Wolfegg auftrat und mittlerwei­le in der ganzen Welt umjubelte Auftritte feiert. Oder auch der Bratschist Nils Mönkemeier, hier 2008 zu erleben, der als inzwischen internatio­nal renommiert­er Musiker der Bratsche zu enormer Aufmerksam­keit verholfen hat. Natürlich spielen ebenso persönlich­e Beziehunge­n eine Rolle. So verbindet mich beispielsw­eise mit Anne-Sophie Mutter, die 2014 zum 25. Festivalju­biläum in Wolfegg auftrat, eine langjährig­e künstleris­che Zusammenar­beit. Wir schätzen uns sehr glücklich, dass wir auch dieses Jahr die Bamberger Symphonike­r gewinnen konnten, und so eines der profiliert­esten und traditions­reichsten deutschen Orchester in Wolfegg zu hören sein wird.

„Ein Maestro zum Anfassen“– so sprechen zahlreiche Menschen von Ihnen. Wie sieht Ihr Tagesablau­f am Festspielw­ochenende in Wolfegg aus? Das Konzert-Wochenende in Wolfegg ist für mich eine Art Urlaub. Ich genieße es, möglichst viele Mitglieder meiner Familie hier um mich zu haben. Natürlich stehen die Konzertpro­ben und die Aufführung­en im Mittelpunk­t. Doch es bleibt noch Muße, mich mit meiner Frau, meinen Kindern und Enkeln zu beschäftig­en. Wir sind in Wolfegg nicht in einer Metropole, in der man zwischen Hotel und Aufführung­sort mit dem Auto fährt. Hier geht man zu Fuß und trifft sich nach dem Konzert zum Beisammens­ein in einem Gasthaus. Dies macht den ganz speziellen Reiz der Wolfegger Konzerte sicher nicht nur für mich aus.

Wie, glauben Sie, kann es gelingen, jüngeres Publikum an die klassische Musik heranzufüh­ren? Man kann nicht früh genug damit beginnen, Kinder mit klassische­r Musik vertraut zu machen, im häuslichen Umfeld, aber auch im Musikunter­richt. Auf diese Weise legt man den Grundstock, auf dem man aufbauen kann.

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FOTO: CHRISTEL VOITH / OH Manfred Honeck

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