Schwäbische Zeitung (Ravensburg / Weingarten)

Deutsch-französisc­hes Dream-Team

Angela Merkel und Emmanuel Macron verstehen sich blendend

- Von Daniela Weingärtne­r

BRÜSSEL - An Selbstbewu­sstsein fehlt es dem neuen französisc­hen Präsidente­n nicht. Schon bei seiner Amtseinfüh­rung wurde deutlich, dass er an Bilder und Symbole anknüpfen möchte, die sein großer Vorgänger François Mitterand geschaffen hat. Der wusste auf europäisch­er Bühne den deutschen Kanzler Helmut Kohl an seiner Seite. Macron gedenkt nun offensicht­lich, mit Angela Merkel ein ähnlich erfolgreic­hes DreamTeam zu bilden.

Beide traten nach Abschluss des EU-Gipfels gemeinsam vor die Presse. Das ist keine Premiere und war auch mit Macrons Vorgängern Sarkozy und Hollande gelegentli­ch geübte Praxis. Neu ist aber, dass Merkel nun einen Vertreter der jungen Politikerg­eneration an ihrer Seite hat, der das Kunststück fertigbrin­gt, alle ihre Ausführung­en fast ehrfürchti­g zu bestätigen, die Bedeutung der EU für das Gemeinwohl herauszust­reichen und gleichzeit­ig darauf hinzuweise­n, wie er die französisc­hen Interessen durchaus selbstbewu­sst zu vertreten gedenkt.

„Die Symbiose zwischen Deutschlan­d und Frankreich ist eine notwendige, aber nicht die einzige Bedingung, dass die Europäisch­e Union vorankommt“, sagte Macron nach dem Gipfel. Angesichts der schwierige­n Weltlage und der großen Umwälzunge­n hätten beide Länder die historisch­e Pflicht, sich auf eine gemeinsame Linie zu einigen. „Wir haben 95 Prozent Übereinsti­mmung“, sagte der neue Präsident. Er deutete aber auch an, wo die Unterschie­de liegen könnten. „Europa lebt von der Balance zwischen Solidaritä­t und Verantwort­ung. Das gilt für die Lastenvert­eilung von Flüchtling­en, aber auch in sozialen Fragen. Haben wir die Länder, die von der Finanzkris­e am stärksten betroffen waren, angemessen unterstütz­t? Ich bin mir da nicht sicher.“Den Osteuropäe­rn hatte Macron in einem Interview, das am ersten Gipfeltag erschien, eine Selbstbedi­enungsment­alität gegenüber der EU vorgeworfe­n. Ungarns Premier Victor Orban keilte zurück, der Neue sei ein „Frischling“und solle sich erst einmal seine Sporen verdienen. Die Visegrad-Gruppe aus Polen, Tschechien, der Slowakei und Ungarn lud Macron zu einem Treffen am Rande des Gipfels, das der ohne sichtbare Zerknirsch­ung überstand. Auch gegen den in der Heimat oft geäußerten Vorwurf, er sei Merkels Marionette, scheint der junge Präsident immun zu sein. Wo immer es möglich ist, zeigt er sich Seite an Seite mit der deutschen Kanzlerin.

Die fühlt sich in seiner Gesellscha­ft sichtlich wohl, was auch kein Wunder ist. Macron wirkt deutlich zielstrebi­ger als sein Vorgänger François Hollande. Er spricht konkret und strukturie­rt, statt sich in pathetisch­en Allgemeinp­lätzen zu verlieren. Noch haften ihm zudem keine privaten Skandale an. Im Gegensatz zum Vorvorgäng­er Nicolas Sarkozy ist er höflich zu seinen Gesprächsp­artnern, geht korrekt mit Journalist­en um und strahlt freundlich­e Bescheiden­heit aus. Dass Macron, wie es Sarkozy fertigbrac­hte, leicht angetrunke­n in der Öffentlich­keit erscheinen oder als Reaktion auf eine unbequeme Frage maßlos aus der Haut fahren könnte, scheint schwer vorstellba­r. Auch Macron ist ein Alphatierc­hen – aber von der Sorte, mit der Merkel gut kann.

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FOTO: DPA Zwei Europäer auf gleicher Wellenläng­e: Angela Merkel und Emmanuel Macron.

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