Schwäbische Zeitung (Ravensburg / Weingarten)
Der Trend soll wieder ein Genosse werden
SPD trifft sich zum Parteitag in Dortmund – Diskussionen über die Vermögensteuer erwartet
BERLIN - Den Startschuss für den Bundestagswahlkampf will die SPD an diesem Sonntag in Dortmund geben. In der riesigen Kulisse der Westfalenhalle versammeln sich 635 Delegierte, um ihr Wahlprogramm zu verabschieden. 5000 Gäste insgesamt werden erwartet.
Eigentlich war alles ganz anders geplant. Nach dem für sicher gehaltenen Sieg in Nordrhein-Westfalen sollte Martin Schulz hier mit Rückenwind in die Bundestagswahl starten. Nun wird die abgewählte SPD-Ministerpräsidentin Hannelore Kraft vermutlich gar nicht erst erscheinen, und Gerhard Schröder (Foto: dpa) soll als „Einheizer“die Partei auf den Wahlkampf einstimmen. Von einem „wirklichen Aufbruch“spricht der neue SPD-Generalsekretär Hubertus Heil. Der war zu Schröders Regierungszeiten schon einmal Generalsekretär seiner Partei, hat die Gefechte um die Agenda 2010 erlebt und erlitten und freut sich heute, dass die tiefe Zerstrittenheit von damals überwunden sei und sich das Verhältnis zu den Gewerkschaften verbessert habe. Schulz hatte Schröder zu dem Grußwort eingeladen. Nach dem Altkanzler wird der SPD-Kanzlerkandidat seine Rede halten.
Die SPD hat in den letzten Wochen zum Thema Steuern und Rente ihre Konzepte vorgestellt. „Es wird kein Konfetti-Parteitag, sondern ein Arbeitsparteitag“, sagt Hubertus Heil. Und die SPD wäre nicht die SPD, wenn dem Parteitag nicht 1627 Änderungsanträge vorlägen; darunter viele, die schon im neuen Programm eingearbeitet sind, aber auch einige, die noch für Aufsehen sorgen könnten. Der Antrag der Jusos zum Beispiel, die erneut die Einführung der Vermögenssteuer fordern. Die steht zwar bereits im Grundsatzprogramm, hat aber im aktuellen Wahlprogramm keinen Platz gefunden. Der Grund: Die Spitze der SPD hat sich für den pragmatischen Weg entschieden. Bevor es wieder einen langen Streit um die vom Verfassungsgericht verworfene Vermögenssteuer gibt, setzt man auf die Erbschaftssteuer. Parteivize Thorsten Schäfer-Gümbel erklärt, dass diese Lösung besser sei. Er hat zusammen mit Schulz maßgeblich das Steuerkonzept ausgearbeitet.
Auch Hubertus Heil geht davon aus, dass es akzeptiert wird, zumal alle Landesverbände dem Steuerkonzept zugestimmt haben, das jetzt vorliegt. Juso-Chefin Johanna Uekermann aber beharrt darauf. „Für uns ist die Vermögensteuer nicht vom Tisch, für uns gehört sie ins Wahlprogramm.“Es ist nicht auszuschließen, dass sich die Jusos damit durchsetzen könnten. Nur rund dreieinhalb Stunden bleiben zur Diskussion. Auf Grußworte hat man verzichtet. Auch der alte Parteichef und heutige Außenminister Sigmar Gabriel will in Dortmund nicht reden, heißt es.
Sehr geärgert hat man sich im Willy-Brandt-Haus im Vorfeld über die Anzeige der Initiative Neue Soziale Marktwirtschaft, die behauptet, die SPD wolle Reichensteuer ab 60 000 Euro kassieren. Das sei falsch, sagt Hubertus Heil. Der Spitzensteuersatz beginne ab 76 000 Euro, und der Zuschlag für Reiche soll ab 250 000 Euro, bei Paaren ab 500 000 Euro erfolgen. Bei einer halben Million Einkommen könne man das zahlen, meint Heil.
Insgesamt bleibt die SPD laut Umfragen derzeit in schwerem Fahrwasser, sie wird bei 25 Prozent gesehen, während die CDU bei 39 liegt. „Der Trend ist wieder ein Genosse“, hatte Gabriel im Frühjahr beim Wahlparteitag für Schulz in Berlin gesagt, als die SPD in Umfragen auf 33 Prozent geklettert war. Jetzt will die SPD alles tun, damit der Trend erneut Genosse wird.