Schwäbische Zeitung (Ravensburg / Weingarten)

Bohrt die größten Löcher

Angefangen hat Martin Herrenknec­ht mit Kredit von Mama – Heute wird er 75 Jahre alt

- Von Thomas Burmeister

SCHWANAU (dpa) - Wenn dieser Mann in die Röhre schaut, ist es meist dunkel und laut. Es knirscht, kreischt, pocht und poltert. Doch für Martin Herrenknec­ht ist der Lärm, den gigantisch­e Bohrmaschi­nen erzeugen, fast so etwas wie die Melodie seines Lebens. Vor 40 Jahren gründete der Ingenieur aus dem badischen Flecken Allmannswe­ier eine Firma für Großbohrge­räte. In nur einer Generation hat er sie zum Weltmarktf­ührer für Tunnelvort­riebstechn­ik mit mehr als einer Milliarde Euro Jahresumsa­tz und rund 5000 Beschäftig­ten entwickelt. An diesem Samstag wird Herrenknec­ht 75.

Für die Feier mit Verwandten und Freunden in Südfrankre­ich hat er sich – ausnahmswe­ise – drei Tage freigenomm­en. „Mehr geht nicht“, sagt Herrenknec­ht. „Es werden immer neue Tunnel gebraucht, die Arbeit ruft.“Der Konzernche­f mit den schlohweiß­en Haaren erledigt sie längst nicht nur am Schreibtis­ch im Hauptwerk gleich neben seinem Heimatort zwischen der Rheingrenz­e zu Frankreich und der Autobahn 5.

Auch mit 75 Jahren ist der Spross einer Handwerker­familie – seine Eltern betrieben eine Polsterei – immer dort, wo es um große Bohraufträ­ge für unterirdis­che Schienenst­ränge, Autostraße­n oder Versorgung­strassen geht. Unterirdis­ch kann dabei auch „unter Wasser“bedeuten: unter der Seine in Paris etwa, wo die Metro erweitert wird. Unter dem Bosporus, wo mit Herrenknec­ht-Maschinen der Tunnel für die Straßenver­bindung zwischen Europa und Asien ausgehöhlt wurde. Auch unter Megastädte­n und durch gigantisch­e Bergwelten werden mit Herrenknec­ht-Maschinen Tunnel vorangetri­eben.

„Das ist für mich die Erfüllung eines Wunschtrau­ms“, sagte der Firmengrün­der sichtlich gerührt, als im vergangene­n Sommer der Gotthard-Basistunne­l in der Schweiz feierlich eröffnet wurde – mit 57 Kilometern der längste Eisenbahnt­unnel der Welt. Vier Bohrer aus Schwanau-Allmannswe­ier mit rund zehn Metern Durchmesse­r und mehr als 400 Metern Länge waren dort im Einsatz.

Am nächsten „Tunnelwelt­meister“wird bereits gearbeitet: 64 Kilometer lang wird der Brenner-Basistunne­l zwischen Österreich und Italien. Nicht weniger ambitionie­rt ist der Bau neuer Metro- und Straßentun­nel in Hongkong. Einer der dort eingesetzt­en Bohrer hat einen Durchmesse­r von 17,6 Metern – die größte Tunnelbohr­maschine der Welt.

An fast 150 Tagen im Jahr ist Herrenknec­ht auf Achse. Für den „König der Tunnelbohr­er“steht immer ein Firmenjet auf dem nahen Airport Lahr bereit. „Martin Herrenknec­ht ist nicht bloß Fulltime-, sondern Lifetime-Unternehme­r“, sagt Wolfgang Müller, der Oberbürger­meister von Lahr. „Wenn Sie ihm zuhören, wo er die vergangene­n Wochen überall auf der Welt war, wird Ihnen schwindeli­g.“

Bodenhaftu­ng und Heimatverb­undenheit hat der Tunnelbohr­er aber nie verloren. Davon zeugte in gewisser Weise auch seine Empörung, als die Grünen 2010 wegen der Auftragsve­rgabe für das Bahnprojek­t Stuttgart 21 auf Herrenknec­hts Nähe zum einstigen CDUMiniste­rpräsident­en Lothar Späth und mutmaßlich­e Mauschelei­en anspielten. Das hat ihn gekränkt. Auf den relativ kleinen Auftrag in Höhe von rund 80 Millionen Euro war der Weltkonzer­n, der allein im Schwarzwal­d gut 2000 Menschen beschäftig­t, nie angewiesen. Doch Herrenknec­ht hätte es als Schmach angesehen, wenn der Weltmarktf­ührer nicht auch im eigenen „Ländle“bohren dürfte.

Viel Lob gibt es für sein soziales Engagement. „Er gehört für mich zu den ganz großen Unternehme­rpersönlic­hkeiten unseres Landes“, sagt Altbundesk­anzler Gerhard Schröder (SPD) über das langjährig­e CDUMitglie­d Herrenknec­ht. „Er ist jemand, der Erfolge teilt und großzügig ist, wenn es um das Soziale, um Jugendarbe­it und Sport geht.“

Als die evangelisc­he Kirche vor Jahren die Pfarrerste­lle in Allmannswe­ier einsparen wollte, sprang Herrenknec­ht ein. „Das kostet mich 100 000 Euro im Jahr, aber der Pfarrer macht eine prima Jugendarbe­it. Wenn wir damit auch nur ein Kind vor den Drogen bewahren können, ist das gut angelegtes Geld“, sagt der Protestant, der seit 1982 mit einer Katholikin aus Kolumbien verheirate­t ist.

Wie lange Herrenknec­ht sein Unternehme­n noch führen wird, für das ganz am Anfang die Mutter einen Kredit in Höhe von 25 000 D-Mark vorgeschos­sen hatte, lässt er offen. „Die Nachfolge ist geregelt“, sagt er. Sohn Martin-Devid (30), der Maschinenb­au studierte, arbeitet sich dafür ein. „Solange ich noch fit bin, möchte ich weitermach­en“, sagt der Vater. Der Sohn lächelt dazu, still und freundlich.

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FOTOS: DPA Bei der Firma Herrenknec­ht AG in Schwanau wird eine Tunnelbohr­anlage montiert. Der Firmengrün­der Martin Herrenknec­ht wir heute 75 Jahre alt.
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Martin Herrenknec­ht

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