Schwäbische Zeitung (Ravensburg / Weingarten)
Krone günstig abzugeben
Prinz Harry gibt sich lustlos: König werden, wer will das schon?
LONDON - Eine Königskrone. Es soll Zeiten gegeben haben, da brachten sich unentwegt Leute um, nur damit sie so ein Ding auch mal auf dem Kopf tragen konnten. Gewiss, es wirkt ein bisschen altmodisch, aber Interessenten können es nachlesen, bei William Shakespeare zum Beispiel.
Übrigens ist die britische Krone zugegebenermassen schwer und wenig kleidsam. Königin Elizabeth II machte einen recht zufriedenen Eindruck, als sie zur abgespeckten Thronrede am Mittwoch stattdessen mit einem gewöhnlichen Hut erscheinen durfte. Überhaupt gebe es in der Familie niemanden, der das Utensil tragen will – behauptet jedenfalls Prinz Harry, Elizabeths Enkel und derzeit Fünfter der Thronfolge. Der 32-Jährige hat sich über Monate hinweg von einer Journalistin des US-Magazins „Newsweek“begleiten lassen, eine Titelgeschichte ist der Lohn.
Die Äusserungen des einstigen Party-Prinzen haben in letzter Zeit zugenommen. Das hängt wohl mit einem herannahenden 20. Jahrestag zusammen: Der Knabe war knapp 13, als Ende August 1997 seine Mutter Diana, damals 36, starb. Das Geschehen habe er lange Jahre verdrängt, vertraute Seine Königliche Hoheit schon im April dem „Daily Telegraph“an, erst intensive Gespräche mit Psychologen hätten ihn gerettet. „Ich war mehrmals nahe am totalen Zusammenbruch.” Mit seiner neuen Offenheit will der ehemalige Soldat Menschen, die an vergleichbaren Traumata leiden, zu grösserer Offenheit ermutigen: „Noch nie hat jemand psychische Störungen überwunden, ohne darüber zu reden.“
Daran gibt es nichts zu deuteln. Auch die Tatsache, dass in Therapien häufig unangenehme Wahrheiten ans Licht kommen, birgt keine Überraschung. Harry etwa erinnert sich mit Schrecken an den Tag, als seine Mutter sehr öffentlich zu Grabe getragen wurde. „Ich musste einen langen Weg hinter ihrem Sarg herlaufen, während mir Millionen dabei zusahen.“Ein vermeidbares Trauma, findet der Erwachsene: „Kein Kind sollte jemals so etwas tun müssen. Heutzutage würde es wohl nicht passieren.“
Das stellt massive Kritik an seinem Vater, Thronfolger Charles, dar, von dem schon Diana sagte, der wolle ohnehin nicht König werden. Die selbst gestellte Frage, ob es denn in der Königsfamilie Leute gebe, die König oder Königin werden wollen, klingt wie ein Echo seiner Mutter. „Ich glaube nicht. Aber wir erfüllen unsere Pflicht, wenn die Zeit kommt.“
Dass der neuerdings stets ein wenig melodramatisch klingende Prinz nicht König werden will, na gut, das wird das Land aushalten. Ob das aber tatsächlich auch für Charles, 68, und für Harrys Bruder William, 35, gilt? Dann hätte das ohnehin zuletzt ziemlich gebeutelte Land zusätzlich zum Brexit auch noch ein Verfassungsproblem.
Sollte die Windsor-Familie nach dem Tod der 91-jährigen Königin, die ihre Untertanen stets von Unlustäußerungen verschont hat, wirklich den Bettel hinschmeissen wollen, müssten sich die Briten einen Präsidenten suchen – oder eine neue Dynastie finden, deren Mitgliedern das privilegierte Leben auf Schlössern und Staatsbanketten mehr Spass macht als den Windsors.
Apropos Staatsbankette – könnten nicht Fernsehkoch Jamie Oliver, 42, dessen Frau Jools und deren fünf Kinder einspringen? Für Unterhaltung wäre gesorgt und für gutes Essen auch.