Schwäbische Zeitung (Ravensburg / Weingarten)
„Fast ein Abbild von Bergatreute“
Mit den Leubnitzern hat es einfach von Anfang an gepasst: Am Wochenende werden 25 Jahre Partnerschaft gefeiert
BERGATREUTE - Wenn man in Bergatreute ins Auto steigt und rund 400 Kilometer westlich fährt, landet man in Frankreich, in der Nähe von Dijon. Legt man dieselbe Strecke in Richtung Süden zurück, kann man irgendwo unterhalb von Mailand Espresso trinken. Fährt man nordöstlich, findet man sich in Leubnitz wieder. Dieser Ort im Vogtland ist Partnergemeinde von Bergatreute. Deshalb fahren tatsächlich immer wieder Autos und Busse voller Bergatreuter dorthin, um Freunde und Vereinskollegen zu besuchen.
Seit 25 Jahren gibt es diese Partnerschaft, und dieses Wochenende sind viele Leubnitzer nach Bergatreute gefahren, um gemeinsam zu feiern. Denn die Sportler, Musiker, Jugendlichen, Vereinsvorstände und Bürgermeister haben schon einiges miteinander erlebt.
„Mittendrin, als die Mauer fiel“„Sehr bewegend“war es für Helmfried Schäfer, als er 2004 zum ersten Mal in Leubnitz war. Ein Jahr zuvor hatte er sein Amt als Bergatreuter Bürgermeister angetreten und 15 Jahre zuvor lebte er als Student in Hof nahe der Grenze zur damaligen DDR. „Ich habe damals direkt mitbekommen, wie eigenartig die Atmosphäre am Grenzstreifen war, und dann waren wir mittendrin, als die Mauer fiel. Für viele DDR-Bürger war Hof die erste Station, es gab lange Schlangen vor dem Aldi, und Flüchtlinge, die aus der Prager Botschaft kamen, sind ins Studentenwohnheim eingezogen.“Wegen dieses persönlichen Bezugs habe er sich ganz besonders gefreut, als Bürgermeister von Bergatreute die Partnerschaft mit Leubnitz übernehmen zu dürfen.
Und nicht nur Helmfried Schäfer ist mit ganzem Herzen bei der Sache. Auch viele andere große und kleine Bürger erfüllen die Partnerschaft mit ihren Ideen und ihren Freundschaften. Obwohl es anfangs durchaus auch Bedenken gab: Einen Moment lang habe er damals gezweifelt, „ob wir den Anforderungen eines Partnerschaftsvertrags gerecht werden können“, erinnert sich Johannes Michaelis, der Anfang der 90er-Jahre Bürgermeister der Gemeinde Leubnitz war. „Es gab ja keinerlei Erfahrung in Sachen der Zusammenarbeit von Orten aus den alten und den Neuen Bundesländern“, schreibt er im Partnerschaftsbuch, das zum Jubiläum herausgegeben wurde.
Sogar eine Ambulanz war da Auch sein damaliger Bergatreuter Amtskollege Ulrich Neumann beobachtete nach dem Mauerfall, dass die Menschen zunächst verunsichert und teilweise skeptisch gewesen seien, wie er in seinem Beitrag im Buch schreibt. „Schon sehr bald war mir klar, dass vor allem die Menschen selbst zu einem gegenseitigen Verständnis füreinander aufgefordert sind und dabei die Kommunen einen wichtigen Beitrag leisten können“, so Neumann. Also suchte er einen Ort, mit dem man eine Partnerschaft schließen konnte. „Es war nicht einfach, eine Gemeinde zu finden, die zu ,meinem’ Bergatreute passt“, berichtet Neumann weiter. Kleine Orte mit Vereinsstrukturen habe es in der DDR ganz selten gegeben. Doch von Leubnitz sei er „gleich sehr angetan“gewesen: Da gab‘s einen Fußballplatz mit Vereinsheim und Kegelbahn, ein Feuerwehrhaus, ein hübsches Schloss (inklusive Schule und Kindergarten) mit romantischem Park und eine das Ortsbild prägende Kirche sowie eine gemütliche Kneipe beim stattlichen Rathaus – sogar eine Ambulanz war vorhanden. Fast ein Abbild unserer Gemeinde Bergatreute.“
Der Bus ist schnell voll Und so unterzeichneten Ulrich Neumann und Johannes Michaelis am 27. September 1992 die Partnerschaftsurkunden – und legten von Anfang an Wert darauf, dass die Partnerschaft nicht „von oben“organisiert, sondern „von unten“mit Leben erfüllt wird.
2011 wurde Leubnitz in die Gesamtgemeinde Rosenbach/Vogt eingemeindet. So ist es nun die Aufgabe des Bürgermeisters von Rosenbach, eine erste Bilanz nach 25 Jahren zu ziehen. Und die fällt kurz und klar aus: „Eine Partnerschaft über 410 Kilometer Entfernung kann funktionieren, wenn sie auf beiden Seiten durch die Bürger gelebt wird“, schreibt Achim Schulz im Partnerschaftsbuch. „Es ist kein Kunststück, in Rosenbach einen Bus nach Bergatreute voll zu bekommen. Und in der Gegenrichtung habe ich denselben Eindruck.“
So darf man annehmen, dass das Jubiläumswochenende ein großes, fröhliches Fest wird. Und weil die Partnerschaft so toll funktioniert, wird Ende September noch mal in Rosenbach gefeiert. Ein paar Beteiligte erinnern sich in der SZ an ihre ganz persönlichen Highlights aus 25 Jahren.