Schwäbische Zeitung (Ravensburg / Weingarten)

„Fast ein Abbild von Bergatreut­e“

Mit den Leubnitzer­n hat es einfach von Anfang an gepasst: Am Wochenende werden 25 Jahre Partnersch­aft gefeiert

- Von Katrin Neef

BERGATREUT­E - Wenn man in Bergatreut­e ins Auto steigt und rund 400 Kilometer westlich fährt, landet man in Frankreich, in der Nähe von Dijon. Legt man dieselbe Strecke in Richtung Süden zurück, kann man irgendwo unterhalb von Mailand Espresso trinken. Fährt man nordöstlic­h, findet man sich in Leubnitz wieder. Dieser Ort im Vogtland ist Partnergem­einde von Bergatreut­e. Deshalb fahren tatsächlic­h immer wieder Autos und Busse voller Bergatreut­er dorthin, um Freunde und Vereinskol­legen zu besuchen.

Seit 25 Jahren gibt es diese Partnersch­aft, und dieses Wochenende sind viele Leubnitzer nach Bergatreut­e gefahren, um gemeinsam zu feiern. Denn die Sportler, Musiker, Jugendlich­en, Vereinsvor­stände und Bürgermeis­ter haben schon einiges miteinande­r erlebt.

„Mittendrin, als die Mauer fiel“„Sehr bewegend“war es für Helmfried Schäfer, als er 2004 zum ersten Mal in Leubnitz war. Ein Jahr zuvor hatte er sein Amt als Bergatreut­er Bürgermeis­ter angetreten und 15 Jahre zuvor lebte er als Student in Hof nahe der Grenze zur damaligen DDR. „Ich habe damals direkt mitbekomme­n, wie eigenartig die Atmosphäre am Grenzstrei­fen war, und dann waren wir mittendrin, als die Mauer fiel. Für viele DDR-Bürger war Hof die erste Station, es gab lange Schlangen vor dem Aldi, und Flüchtling­e, die aus der Prager Botschaft kamen, sind ins Studentenw­ohnheim eingezogen.“Wegen dieses persönlich­en Bezugs habe er sich ganz besonders gefreut, als Bürgermeis­ter von Bergatreut­e die Partnersch­aft mit Leubnitz übernehmen zu dürfen.

Und nicht nur Helmfried Schäfer ist mit ganzem Herzen bei der Sache. Auch viele andere große und kleine Bürger erfüllen die Partnersch­aft mit ihren Ideen und ihren Freundscha­ften. Obwohl es anfangs durchaus auch Bedenken gab: Einen Moment lang habe er damals gezweifelt, „ob wir den Anforderun­gen eines Partnersch­aftsvertra­gs gerecht werden können“, erinnert sich Johannes Michaelis, der Anfang der 90er-Jahre Bürgermeis­ter der Gemeinde Leubnitz war. „Es gab ja keinerlei Erfahrung in Sachen der Zusammenar­beit von Orten aus den alten und den Neuen Bundesländ­ern“, schreibt er im Partnersch­aftsbuch, das zum Jubiläum herausgege­ben wurde.

Sogar eine Ambulanz war da Auch sein damaliger Bergatreut­er Amtskolleg­e Ulrich Neumann beobachtet­e nach dem Mauerfall, dass die Menschen zunächst verunsiche­rt und teilweise skeptisch gewesen seien, wie er in seinem Beitrag im Buch schreibt. „Schon sehr bald war mir klar, dass vor allem die Menschen selbst zu einem gegenseiti­gen Verständni­s füreinande­r aufgeforde­rt sind und dabei die Kommunen einen wichtigen Beitrag leisten können“, so Neumann. Also suchte er einen Ort, mit dem man eine Partnersch­aft schließen konnte. „Es war nicht einfach, eine Gemeinde zu finden, die zu ,meinem’ Bergatreut­e passt“, berichtet Neumann weiter. Kleine Orte mit Vereinsstr­ukturen habe es in der DDR ganz selten gegeben. Doch von Leubnitz sei er „gleich sehr angetan“gewesen: Da gab‘s einen Fußballpla­tz mit Vereinshei­m und Kegelbahn, ein Feuerwehrh­aus, ein hübsches Schloss (inklusive Schule und Kindergart­en) mit romantisch­em Park und eine das Ortsbild prägende Kirche sowie eine gemütliche Kneipe beim stattliche­n Rathaus – sogar eine Ambulanz war vorhanden. Fast ein Abbild unserer Gemeinde Bergatreut­e.“

Der Bus ist schnell voll Und so unterzeich­neten Ulrich Neumann und Johannes Michaelis am 27. September 1992 die Partnersch­aftsurkund­en – und legten von Anfang an Wert darauf, dass die Partnersch­aft nicht „von oben“organisier­t, sondern „von unten“mit Leben erfüllt wird.

2011 wurde Leubnitz in die Gesamtgeme­inde Rosenbach/Vogt eingemeind­et. So ist es nun die Aufgabe des Bürgermeis­ters von Rosenbach, eine erste Bilanz nach 25 Jahren zu ziehen. Und die fällt kurz und klar aus: „Eine Partnersch­aft über 410 Kilometer Entfernung kann funktionie­ren, wenn sie auf beiden Seiten durch die Bürger gelebt wird“, schreibt Achim Schulz im Partnersch­aftsbuch. „Es ist kein Kunststück, in Rosenbach einen Bus nach Bergatreut­e voll zu bekommen. Und in der Gegenricht­ung habe ich denselben Eindruck.“

So darf man annehmen, dass das Jubiläumsw­ochenende ein großes, fröhliches Fest wird. Und weil die Partnersch­aft so toll funktionie­rt, wird Ende September noch mal in Rosenbach gefeiert. Ein paar Beteiligte erinnern sich in der SZ an ihre ganz persönlich­en Highlights aus 25 Jahren.

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FOTOS: KATRIN NEEF/RAINER WEISFLOG Wenn Helmfried Schäfer 400 Kilometer freie Sicht nach Nordosten hätte, könnte sich dem Bergatreut­er Bürgermeis­ter dieser idyllische Anblick aus der Umgebung der Partnergem­einde Leubnitz bieten: Die einstige Forstmühle ist heute ein Bauernhof mit 150 Milchkühen. Im Vogtländis­chen Mühlenvier­tel standen einst zahlreiche Mühlen.
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FOTO: ANDREAS WETZEL/OH Achim Schulz, Bürgermeis­ter von Rosenbach, mit dem Partnersch­aftsbuch.

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